Luitpold-Gymnasium München Leistungskurs Kunsterziehung |
Roß und Reiter
eine vergleichende Betrachtung von U. Schuster |
Marc
Aurel
Das älteste mir bekannte monumentalebronzene Reiterbild ist die im 2.Jh.n.Chr. entstandene überlebensgroße Reiterstatue des Marc Aurel. Die über lebensgroße Bronze hat den Untergang des römischen Reiches vermutlich deshalb überstanden, weil man sie lange Zeit für ein Denkmal des ersten christlichen Kaisers Konstantin gehalten hat. Michelangelo hat die Plastik als Kernstück seiner Platzanlage von dem ursprünglichen Standort am Lateranspalast zum Kapitol in Rom bringen lassen. Neben inhaltlichen Gründen werden wohl auch technische Schwierigkeiten mit der Handhabung des Gusses dafür verantwortlich sein, daß das Thema das ganze Mittelalter über bis in die Renaissance bestenfalls in Stein, als Relief oder als Malerei erscheint. Der Bronzeguß für ein derartiges Werk erfordert eine hochrangige, entwickelte Gießtechnik. Marc Aurel in animierter Rundum-Ansicht (536 KB GIF Animation) |
< Links Padua rechts Venedig > |
Verrocchio war Leonardos Lehrer und Leonardo war auf der Suche nach angemessener Beschäftigung für ein Genie nach Mailand an den Hof der Sforza gegangen. Lodovico Sforza wollte zu Ehren seines Vaters Francesco ein Denkmal errichten lassen und beauftrage Leonardo mit der Planung. "Il Cavallo" wurde eines der beispielgebenden aber gleichzeitig gescheiterten Projekte des ehrgeizigen Florentiners. Die ersten Überlegungen galten einem lebensgroßen Objekt in der Art des Gattamelata. Bald wuchsen die Ansprüche der Auftraggeber auf ein Denkmal von über sieben Meter Höhe. Wir sehen hier die Silhouetten des Marc Aurel, des Gattamelata, des Coleoni und des geplanten Sforza-Denkmals. Das Vorhaben mit einem veranschlagten Gewicht von 80 Tonnen beschäftigte Leonardo ab 1482 sechzehn Jahre. Eine gigantische Leistung war allein die Entwicklung des technologischen Konzepts zu einem derartigen Unternehmen. |
Erst
zwei Jahrhunderte nach Leonardo wurde ein vergleichbares Projekt nach den
Plänen Leonardos an einem Reiterbild für Ludwig XIV realisiert.
1491 hatte Leonardo das Tonmodell fertiggestellt und 1493 wurde es anläßlich der Verlobungsfeierlichkeiten zwischen Kaiser Maximilian und Bianca Maria Sforza im Hof der Residenz gezeigt. Ein Jahr später läßt sich Lodovico auf kriegerische Auseinandersetzungen mitFrankreich ein und läßt aus den 158000 Pfund Bronze, die für das Pferd bestimmt waren, Kanonen formen.1499 erobern die französischen Truppen Mailand, zerstören das Modell, und während sich Leonardo auf der Flucht durch den Staat Venedig befindet, nehmen sie Lodovico gefangen. Das hätte das zweite Ende von Il Cavallo sein können. Befehlshaber des französischen Königs Ludwig XII. in Mailand wurde Gian Giacomo Trivulzio. Mit seinem Auftrag an Leonardo lebte 1506 das Projekt Roß und Reiter erneut auf. Trivulzio gab eine Bronze für sein eigenes Grabmal in Auftrag und Leonardo, der zwischen 1503 und 05 in Florenz mit Michelangelo einen Malerwettstreit für Schlachtenbilder im Palazzo Vecchio austrug, ließ seine Ideen für ein steigendes Pferd über einem gestürzten Gegner in die oben abgebildete Zeichnung einfließen. Unten im Sockel ist ein Platz für den Sarkophag des Condottiere vorgesehen. Die Abbildung zeigt eine Studie von Rubens nach einem Ausschnitt von Leonardos Karton zur Schlacht bei Anghiari . Vom berühmten Wettstreit blieb nichts erhalten. |
In den Jahren 1494/95 sowie 1505/07 bereist Dürer Italien. Er kommt nur bis Venedig und es dürfte klar sein, daß er alle Lösungen der italienischen Künstler für Probleme, die ihn selbst beschäftigten, begierig besichtigt, studiert und aus ihnen gelernt hat: Proportion, Perspektive, Druckgrafik und...Probleme rund um Roß und Reiter. Der Colleoni wurde in Venedig gerade gegossen als Dürer zum ersten Mal dort war, die Pferde von San Marco müssen für ihn wie für andere Künstler der Renaissance eine Offenbarung gewesen sein. Bei der zweiten Reise hat er das Standbild sehen können. Padua könnte auf seiner Route gelegen haben, es ist nur wenige Kilometer von Venedig entfernt. In Mailand war er vermutlich nicht, aber sicher hat er von der spektakulären Präsentation des "Cavallo" von Leonardo gehört, vielleicht Zeichnungen davon zu Gesicht bekommen. Immerhin ging es dort um die Verlobung des deutschen Kaisers, für den er zahlreiche Aufträge durchführte, mit einer Dame aus dem Hause Sforza. |
Nebenstehendes Aquarell stammt aus dem Jahr 1495. Gemessen an Leonardos Zeichnungen kommt sie einem vor wie eine brave Schülerarbeit. Das Pferd ist mit seinem kleinen Hintern, einem eigenartigen Kopf und den dünnen X-Beinen recht harmlos. In der ganzen Anordnung liegt allerdings eine Idee, die Dürer noch länger verfolgen wird. |
Hauptfiguren des Bildes sind der Ritter
auf dem Pferd, der Tod auf einem Pferd reitend, der Teufel, der Hund.
Figuren, Ausstattung, Landschaft: Ritter: Lanze geschultert, Schwert in der Scheide, Rüstung vielfältig verziert, Helm mit geöffnetem Visier Pferd: Zaumzeug reich verziert, Sattel, Eichenlaub an Mähne und Schwanz,Glöckchen am Rücken Tod: Stundenglas, Helles Hemd, Krone mit Schlangen, Schlangen um den Hals, Bart, verwesender Kopf; sein Pferd ist eher ein Klepper, sein Zaumzeug besteht aus einem einfachen Seil, am Hals hängt eine Glocke. Teufel: Stützt sich auf eine Lanze (Dreizack), trägt einen zerfledderten Umhang. Sein Kopf ist eine Mischung aus diversen Tieren, leicht geöffnete Schnauze, von den Backen hängen Hautlappen, lange hängende Ohren, zwei verschiedenartige Hörner, rechter Arm mit Vogelsklaue. Er geht auf zwei behuften Beinen und hat einen langen dicken Rattenschwanz Landschaft: Hohe Felsen verdecken den Horizont, kahle Sträucher mit freiliegenden Wurzeln, hoch über den Felsen eine stattliche Festung mit zwei hohen und mehreren kleinen Türmen, ein Weg der sich den Burgberg hinaufschlängelt, wenig Himmel ohne Wolken. Am Boden ein Grasbüschel, ein Totenschädel ohne Unterkiefer, ein Lurch und ein springender 'Hühnerhund'. Muster: Beschreibung des Todes: Die Figur des Todes erscheint als Brustbild hinter dem Hals des Ritterpferdes mit dem aufgerichteten, leicht zum Ritter geneigten Oberkörper dem Betrachter frontal zugewandt. Seinen Kopf hat der Tod leicht schräggestellt und zur Bildmitte gedreht, wo er dem Ritter von unten herauf wie fragend ins Gesicht blickt. Den hageren Körper des Todes und seine knochigen Schultern umhüllt ein helles, in weiten Falten fallendes Hemd, um seine linke Schulter liegt eine Art Schärpe und um seinen Hals schlingt sich zweifach der helle Körper einer Schlange, deren Kopf auf die Brust des Ritters weist. Der Kopf des Todes wirkt durch die großen, in tiefen Höhlen liegenden Augen, dem wie zum Sprechen geöffneten Mund mit zwei vereinzelten Zähnen im Unterkiefer, und dem an Stelle der Nase klaffenden Loch wie skelettiert, obwohl vom Haupt wie vom Kinn langes helles Haar zottelig herabhängt. Auf diesem Haupt trägt der Tod eine sechszackige Krone, die ihn als Herrscher über das Totenreich ausweist. Um die Krone winden sich zwei weitere kleine Schlangen, die als Symbole für den Sündenfall dem Ritter seine Sterblichkeit vorhalten. Während der Tod mit seiner verdeckten linken Hand offenbar die schlichten, aus einem verdrillten Seil bestenenden Zügel des Pferdes locker hängend hält, zeigt er mit seiner Rechten dem Ritter ein Stundenglas, Symbol für die Zeit, die noch verbleibt und doch unentwegt verrinnt. Der größere Teil seiner Figur ist vom Pferd des Ritters verdeckt, trotzdem läßt sich unschwer erkennen, daß er auf einem abgeschlafft wirkenden Klepper reitet. An dessen Hals, der nach unten geneigt ist in Richtung der Lanze des Ritters, baumelt an einer Schnur eine Glocke, die den Leuten die Ankunft des Todes signalisieren mag. Neben der Neigung des Halses, und der überhängenden Unterlippe signalisieren ein müde aufgerichtetes und ein hängendes Ohr, daß das Pferd der Erschöpfung nahe ist. Seine Beine, von denen das linke vordere wie im Gleichschritt mit dem Ritterpferd gehoben ist, bilden unter dem Bauch des Ritterpferdes mit dessen Beinen ein nicht leicht zu durchschauendes Gewirr, zumal sich zu den 8 Beinen der beiden Pferde noch zwei weitere gesellen, die offenbar dem Teufel zuzuordnen sind, der rechts hinter dem Ritterpferd hervorschaut. Die Figur des Todes ist von der Bewegungsrichtung her der des Ritters vorausgesetzt, weniger in dem Sinn, daß der Ritter ihn zu überholen scheint, als vielmehr in einem Sinn, daß der Tod trotz seines schlappen Gauls als eine Art ständiger Begleiter erscheint, der allerdings, wo immer der Ritter hinkommt, ihm um eine Nasenlänge voraus ist. Dürer stellt den Ritter nicht dar als ein Leitbild einer heraufdämmernden neuen Zeit. Unbeirrt von allen Anfechtungen des Bösen scheint er seinen Weg zu verfolgen, als Verteidiger, Retter? des christl. Abendlands. Getragen vom Bewußtsein des rechten Glaubens folgt er seinem Weg, seiner Pflicht? treu wie sein eigener Hund ihm in der Spur bleibt. |
Aufgabe:
Fertige nach diesem Muster eine detaillierte und umfassende Beschreibung des Ritters mit Pferd in Dürers Druck. Gehe dabei ein auf die Haltung und Ausdruck in Mimik und Gestik, auf formale Beziehungen zwischen Reiter und der Gesamtkomposition sowie auf symbolische Bezüge in den Gegenständen, die er am Körper trägt. Fertige als Ausgangspunkt Skizzen an, die insbesondere Haltung, Ausdruck und Formbeziehungen verdeutlichen. |
Die soziale Rolle des
Ritters und ihre Leitbildfunktion war zur Zeit der sich anbahnenden Reformation
ins Wanken geraten. Die hohe Zeit des Rittertums war das Mittelalter. 1090
stellt Bonizo von Sutri in seinem Buch "Vom christlichen Leben" einen Codex
des christlichen Ritters auf. Dabei fordert er
Vorbilder sind Alexander, Karl, die HL. Georg und Martin Ist das Bild des Reiters auf dem Pferd
im Historienbild und in der Denkmalsplastik von hervorragender Bedeutung,
so ist es im sakralen Bereich eher eine Randerscheinung. In den Figuren
des HL.Georg oder des Hl.Martin begegnet uns die Figur des christlichen
Ritters. Christus selbst läßt die Mythologie allerdings auf
einer Eselin in Jerusalem einreiten, was eher wie eine Karikatur auf das
römische Soldatentum erscheint. In den meisten Passionszyklen bildet
dieses Bild des auf dem Esel reitenden Christus den Anfang. Erwähnenswert
in diesem Zusammenhang erscheint mir auch die Figur des Todes, die in der
religiösen Kunst oft als Reiter dargestellt wird und so signalisiert,
daß man im Ritter neben seiner heilspendenden Funktion natürlich
auch ein todbringendes Element sah.
Diesem mittelalterlich-religiösen
Weltbild tritt in der Renaissance ein neuer Typus gegenüber, der in
mancher Beziehung sich unterscheidet: Der Uomo Universale der Renaissance
heißt im Frz. Gentilhomme, im Engl. Gentleman, im Span.
Caballero,
im Deutschen der Kavalier oder Ritter. Selbstverständlich ist
er dem humanistischen Menschenideal verpflichtet
Dürers Ritter Tod und Teufel steht in Deutschland im Vorfeld der Reformation. In Deutschland formiert sich eine Opposition gegen den Papst und die Kirche, von der auch das christliche Rittertum tangiert ist. 1522 erheben sich die sog. Reichsritter unter Ulrich von Hutten gegen ihren sozialen Abstieg, 1525 ziehen die Bauern in den Krieg gegen ihre Ausbeuter. Zu Dürers Zeit ist der Ritter Thema
einer ganzen Gattung von Literatur, der Ritterdichtung. Daß seine
große Zeit schon vergangen ist sieht man daran, daß er durch
Cervantes bereits zu Anfang des 17.Jhs im "Don Quijote de la Mancha"
beißendem Spott ausgesetzt wird. Das 18./19. Jh belebt in zahlreichen
Reiterdenkmälern für seine siegreichen und heldenhaften Heerführer
den Mythos neu. Parallel dazu bleibt auch der Spott nicht aus, der sich
im "Baron Münchhausen" Luft macht oder bei Daumier auf
Don Quixote (1868) zurückgreift.
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Link
zu zwei Reiterstandbildern aus München
und Schülerzeichnungen |
Netzquellen
http://www.thais.it/scultura/ppds.htm Padova, Piazza del Santo http://www.thais.it/scultura/image/sch00088.htm
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