Luitpold-Gymnasium München                                                             Leistungskurs Kunsterziehung
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Die Kornsieberinnen 
Jean-Désiré Gustave Courbet (1819-77)
1854, Größe 131 x 167cm , Öl auf Leinwand,
Nantes, Musée des Beaux-Arts

von Kaloyan Ianev, Jahrgangsstufe 12

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Eindruck
Das Bild die "Kornsieberinnen" zeigt, dass die hartarbeitende Bevölkerung auf dem Land auf eine gewisse Weise auch schön sein kann. Indem er die Menschen so zeigt wie sie sind und nichts verändert, zeigt er ihre Natürlichkeit und Schönheit. Es ist wie eine Sozialreportage der einfachen Bevölkerung, welche den reichen Bürgen und den Besuchern des Salons zeigen soll, wie die Arbeit der Menschen auf dem Land ist. 
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Beschreibung
In diesem Bild kommen drei Personen vor. Zwei Frauen, die noch relativ jung sind und ein noch jüngerer Junge. Sie alle tragen einfache Kleidung. Durch die Arbeit die sie ausführen und durch die Kulisse, läßt sich ganz klar sagen, daß es einfache Leute sind. In den Raum gibt es viele verschiedene Behälter zur Aufbewahrung von dem Korn. Drei volle Säcke sind links im Hintergrund. Rechts vorne ist eine Maschine zur Bearbeitung von Korn. Auf dem Boden liegt überall Weizen zerstreut. Zwischen den beiden Frauen schläft, zusammengekauert eine Katze. Die Gegenstände und Personen sind geordnet auf die Bildfläche verteilt so, daß man jedes einzelne Objekt gut erkennbar ist. Man kann sagen, daß die Gegenstände und Personen in kleinere Gruppen geteilt sind. Der junge mit der Maschine und einige Gefäße bilden eine Gruppe. Die Frau mit dem Sieb eine andere. Und schließlich die sitzende Frau mit dem großen Teller die letzte. Die drei Gruppen können getrennt voneinander betrachtet werden. Sie Führen alle drei einzelne Handlungen unabhängig voneinander aus. Durch das Korn scheinen sie jedoch miteinander verbunden zu sein. Das Korn ist der Hauptbestandteil ihrer Arbeiten und man kann sagen, daß dadurch die Personen und Gegenstände zusammen in Einklang gebracht werden. Dabei fühlen sich die Personen bei ihrer Arbeit völlig unbeobachtet. Die Arbeit, die sie ausführen, scheint sehr hart und langweilig zu sein. Die Frau links hat die Augen beinahe geschlossen und lehnt an einem Sack als ob sie gleich einschläft. Die Frau im roten Kleid hingegen kämpft fast schon mit ihrem Sieb. So hart ist die Arbeit. Ihr Kopf ist gesenkt vor Erschöpfung. Ihre Körperhaltung ist so dynamisch, daß sie geradezu heldenhaft erscheint. Dies wird auch noch durch die Größe der Frau und durch ihre auffällige Kleidung unterstützt. Mit gesenktem Kopf guckt der Junge rechts in die Maschine. Sicher scheint mir, daß die Katze nicht einfach aus Zufall auf die Bildfläche gekommen ist. Katzen galten schon früher als Symbol für das Geheimnisvolle und Schöne in der Frau. Sie steht genau zwischen den beiden Frauen. Möglicherweise ist das Bild ein Versuch Courbets die Schönheit der einfachen Leute zu zeigen.
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Die Ordnung der Bildfläche
Die Fläche des Bildes ist in zwei fast gleich große Flächen geteilt. In ihrer Mitte ist eine Frau mit einem Kornsieb bei der Arbeit ist. Die beiden im Ton leicht unterschiedenen Teilflächen der Wand im Hintergrund bilden eine Achse, welche die Bildfläche ebenfalls in diese zwei Teile trennt. Die Frau mit dem Sieb ist sehr groß dargestellt. Sie nimmt fast ein Viertel der gesamten Bildfläche ein. Links und rechts von ihr sind jeweils zwei andere Personen.Links eine andere Frau, die das Korn von kleinere Steinen oder anderen Schmutz reinigt. Rechts hockt ein Junge neben einer Maschine. Er hat die Lade des Kastens geöffnet, der oben eien Einfülltrichter hat und unten zwei Öffnungen, vielleicht um die Sprei vom Korn zu trennen. Wie die beiden Frauen voll in ihre Tätigkeit vertieft sind, ist der Junge ganz mit dem Inneren des Kastens beschäftigt, das uns der Maler nur als ein dunkles Loch zeigt. Auffällig sind die vielen runden Flächen, die im Bild auftauchen. Alle Gefäße haben eine runde Form, die vollen Säcke links im Hintergrund können auch als rund betrachtet werden und die Taille der Frau in der Mitte auch. Ja selbst die Katze zwischen den beiden Frauen ist zu einem Halbkreis zusammengekauert und schläft.
Durch die gleichmäßige Verteilung der Gegenstände im Raum und durch ihre runde und gleichmäßige Form, drückt das Bild eine gewisse Geschlossenheit aus, wirkt geordnet und aufgeräumt. Dasselbe geht auch von den Personen aus. Sie sind wie ausgewogen auf die Bildfläche gesetzt und nehmen ungefähr den größten Flächenanteil an. Auffallend ist jedenfalls, daß die Flächenanteile der Menschen im Bild sehr groß sind. Sie sind wichtig für Courbet gewesen.
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Raumordnung
Die Raumillusion wird durch die Groß-Klein-Beziehungen zwischen den Personen im Raum erzeugt. Die Frau mit dem Sieb ist größer gemalt als die anderen Personen und steht somit näher am Betrachter. Sie verdeckt Teile von der Frau links, was die räumliche Staffelung erklärt.
 Wenn man die Linien der Maschine rechts als Achsen verlängert, erhält man eine Zweipunktperspektive, wobei der eine Fluchtpunkt am linken Bildrand des Bilds liegt und der andere weit rechts. Der Horizont ist etwas über der Augenhöhe der Frau mit dem Sieb. Dies verschafft dem Betrachter einen leichten Überblick über die Personen im Raum.
 Der Blick des Betrachters wird auf die Personen gezogen, der Hintergrund wird dabei nur sehr wenig betrachtet. Weil die Frau mit dem Sieb in die Mitte gestellt ist und weil sie größer im Vergleich zu den anderen Personen ist, fällt der Blick des Betrachters zuerst auf sie. Wenn man das Bild jedoch länger anschaut wird man erkennen, daß es „richtig“ wäre, das Bild von rechts nach links zu betrachten. Es schildert den gesamten Prozeß der Getreidebearbeitung. Der Junge an der Maschine trennt die Spreu vom Weizen. Die Frau mit dem Sieb reinigt es von gröberen Verschmutzungen und die Frau ganz rechts säubert es von kleinen Steinen oder sonstigem, vielleicht liest sie auch das giftige Mutterkorn aus.
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Farbordnung
Die Hauptfarben des Bilds sind vorwiegend kalt. Die Wände sind in einem schmutzigen beige und die Decke, auf der die Personen sitzen, ist in einem unreinen weiß gemalt. Die Frau links trägt ein olivgrünes Kleid und der kleine Junge eine dunkle Hose zum dunkelgrünen Hemd. Ganz im Gegensatz dazu ist die Frau mit dem großen Sieb mit einem herausstechenden, warmen, roten Kleid angezogen.
Die Personen links und rechts außen führen keine heftigen Bewegungen aus. Deshalb vielleicht auch die unauffällige Farbe ihrer Kleidung. Die Frau in der Mitte arbeitet hart und bewegt sich raumgreifend. Das Rot ihres Kleides lenkt die Aufmerksamkeit ganz auf sie und die ballettartige Eleganz ihrer Bewegung. Frauen, die harte Arbeit ausführen müssen und aus bäuerlichen Verhältnissen stammen, können auf ihre Weise auch sehr schön und sinnlich wirken und eignen sich auch als Modelle.
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Interpretation
Courbet will mit diesem Bild das einfache Volk zeigen. Er empfand die Schönheit nicht mehr so wie die früheren Maler, die sich nach einem Ideal orientierten. Für ihn war die Natur wie sie war: die wahre Schönheit. Wenn man an dieser Natur etwas verändert, verliert sie an Schönheit. In dieser Zeit war die Industrielle Revolution in ganz Europa in vollem Gange. Die Menschen begannen vom Land zu fliehen und sammelten sich in den Städten. Die Landleute wurden immer ärmer. Die Bevölkerungsgruppen spalteten sich und es entstand das sogenannte Proletariat. Als Sozialist war Courbet gegen den Kapitalismus und versuchte mit seinen Bildern und Themen der bürgerlichen Welt und ihren manchmal weltfremden und in der Vergangenheit oder im kitschigen Pomp des Kaiserreichs verharrenden Idealen eine Lebenswirklichkeit von echten und naturverbundenen Menschen entgegenzustellen.
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Literatur: