"Guernica  - Kunstwerk gegen den Krieg" 


Guernica, 1937, 350 x 750 cm, Öl auf Leinwand, Reina Sofia Art Center, Madrid

Picasso bei der Arbeit an Guernica

Pablo Picasso wurde im Januar 1937 von der spanischen-republikanischen Regierung (kurzer Exkurs zur spanischen Geschichte) beauftragt, ein Wandbild für den spanischen Pavillon auf der Weltausstellung in Paris zu malen. Es sollte auf die aktuelle Situation in Spanien, den Bürgerkrieg, aufmerksam machen. Sein Bild wurde an die Wand direkt neben dem Eingang plaziert werden, da sie prominent und die einzige wettergeschützte Stelle im Erdgeschoß war. (Für das Werk wurden ihm $ 7.500 angeboten.)

Im April desselben Jahres hatte bereits sein Freund José Bergamín in einem Artikel in der Kunstzeitschrift "Cahiers d'Art" ein Kunstwerk gefordert, das zu den Waffen und zum Protest gegen die aufständischen spanischen Faschisten unter Franco, die militärisch immer erfolgreicher wurden, rufen sollte. Picasso sah sich also mit ganz konkreten Erwartungen konfrontiert. Seine Antwort war zunächst ein vollkommen unpolitisches Themen, "Badende" und "Maler und Modell". Dies zeigt, dass er sich zu Beginn nicht mit der von Bergamín geforderten, streng "parteilichen" Position nicht identifizierte.

Am 26. April 1937 jedoch wurde die spanische Stadt Guernica von der nazideutschen Luftwaffenlegion "Condor", die auf der Seite der Franco-Putschisten eingriff, bombardiert. Sie war strategisch völlig uninteressant, deshalb gab es dort auch keine republikanischen Truppen. Der Angriff war ein Anschlag auf Zivilisten und eine symbolisch gemeinte Vernichtung des historischen Zentrums und Identifikationsortes der Basken. (In Guernica stand die "Heilige Eiche", an der früher die spanischen Könige die Grundrechte der Basken beschworen.) Es gab 1654 Tote, 889 Verwundete, die meisten waren Alte, Frauen und Kinder. Von der Brutalität des Ereignisses tief beunruhigt, änderte Picasso Anfang Mai seine Pläne und machte Guernica zum Thema seines Bildes für den Pavillon.

Im Bild wird ein Raum, mit toten und verstümmelten Menschen, einem Pferd in der Mitte und einem Stier auf der linken Seite dargestellt. Die links der Mitte am oberen Bildrand hängende Lampe strahlt kurze, spitze Strahlen auf die Liegenden oder Flüchtenden. Den Menschen und Tieren werden Glieder abgetrennt, sie sind zu Boden gerissen. Die im Vordergrund liegende abgetrennte Hand hält eine Blume und ein abgebrochenes Schwert. Von rechts streckt eine andere Hand eine Petroleumlampe der elektrischen Lampe entgegen. In der Mitte ist ein Lichtkegel zu sehen, dessen Linien die Körper optisch trennt. Die dominanten Farben sind Schwarz, Grau und Weiß.

In "Guernica" wird die Bombardierung nicht selbst gezeigt. Picasso malt keine Bomber, nicht die Täter, sondern die Opfer. Der dargestellte Raum wird mit toten, verletzten, zerstückelten und zerfetzten Gliedern gefüllt. Die über die Bildfläche verstreuten Schnittpunkte von scheinbar völlig willkürlich angeordneten Linien werden zu Explosionszentren, sprengen das Bild. Während auf der übrigen Weltausstellung die neue Elektrizität als moderne "Überwindung der Nacht" gelobt wurde, ging in Guernica am hellichten Tag das Licht aus. Die Lichtverhältnisse im Werk Guernica bezeugen diesen Gewaltakt. Die Lampe an der Decke wird zu einer explodierenden Brandbombe.

Licht wandelt sich zum Gewaltinstrument (Überraschend der ähnliche Ansatz in Adornos "Dialektik der Aufklärung"): der abstrakt dargestellte, schlaglichtartig einfallende weiße Keil rechts der Bildmitte hat nicht die Funktion, die Bühne zu beleuchten, sondern er "reißt" dem Pferd die Beine ab. Der Kegel zertrennt auch die am Boden liegende Frau, die gerade noch die Hand zur Anklage ausstrecken kann. Die Ohnmacht gegenüber der Tat findet in der, eine Blume und eine zerbrochene Waffe haltenden Hand, ihren massivsten Ausdruck.

Doch viele Dinge im Bild bleiben rätselhaft, vor allem die inhaltiche Bedeutung des mächtigen Stieres. Er kann als Zeichen für die Brutalität der Angreifer ebenso gelesen werden wie als Zeichen für das bedrohte Spanien. Selbst die versammelte Gelehrtheit der Kunstgeschichtler hat hier bislang keine Klärung bringen können. Offensichtlich entzieht sich das Bild (wie ein alter Mythos) einer ikonografisch exakt aufzulösenden Bildsprache, so wie sich Picasso der Erwartung eines gemalten Kampfaufrufs entzog. Dennoch wurde das Bild sofort und zurecht als großes Bekenntnis des Künstlers, als Anklage und als Aufschrei empfunden.

(Picasso stellte als Bedingung für eine Ausstellung des Bildes in Spanien das Ende der Franco-Diktatur. Erst 1981 kommt es - nach dem Tod Francos und dem Übergang zur Demokartie - in das Madrider Museum.) Als Fanal ist es bis heute ein Programmbild gegen Krieg und Faschismus.
 

Quellen: