Wie kam Tiepolo nach Würzburg ?
"Wie kam der Superstar in die Provinz?" wäre in diesem Fall wohl die bessere Frage. Schließlich war Tiepolo zur damaligen Zeit der berühmteste Barockmaler Europas und Venedig das Zentrum der Kunst. Würzburg war dagegen lediglich eine landwirtschaftlich geprägte Provinzstadt mit ca. 15000 Einwohnern, die in Sachen Kunst keinerlei Bedeutung hatte. Das lag wohl auch daran, daß Deutschland dezentralisiert war. Es ist verwunderlich, daß gerade das kleine Würzburg so viel Geld hatte, sich Tiepolo leisten zu können.
Es war Fürstbischof Karl Philipp von Greiffenclau (1690-1754), der den Venezianer nach Würzburg holte. Er war entschlossen, seinen prachtvollen Residenzbau mit den Werken des besten Malers, den er gewinnen konnte, auszustatten, da er zuvor mit dem Maler Guiseppe Visconti eine ziemliche Pleite erlebt hatte. Dieser war mit einem Empfehlungsschreiben von höchster Hand nach Würzburg gekommen und konnte den Fürstbischof schnell für sich gewinnen. Er malte allerdings so erbärmlich, daß er des Landes verwiesen wurde. Der Fürstbischof ließ sich jedoch durch diesen Fehlschlag nicht entmutigen. Er griff nun nach dem Höchsten und wandte sich an den Maler, der damals über ganz Europa hin den allergrößten Ruhm genoß: Giovanni Battista Tiepolo.
Tiepolo(1696-1770) stand am Höhepunkt seiner Laufbahn und seines Könnens, als ihm das Angebot gemacht wurde, nach Würzburg zu kommen. Schon vorher gab es Versuche, Tiepolo mit ehrenvollen Aufträgen ins Ausland zu holen. So suchte zum Beispiel der schwedische König 1735 einen Maler für die Ausstattung seines Schlosses in Stockholm. Tiepolo lehnte jedoch ab, nach Schweden zu kommen, weil er in seiner Heimat zu beschäftigt war. Als er 1750 das Angebot erhielt, in Würzburg zu malen, war die Situation im Grunde nicht viel anders. Wie damals die Verbindung zwischen dem Würzburger Hof und Tiepolo zustande kam, kann genau rekonstruiert werden.
Karl Philipp von Greiffenclau hatte sich gleich nach dem Debakel mit Visconti an Lorenz Jacob Mehling gewandt, der als Kaufmann und Bankier in Venedig lebte. Am 29. Mai 1750 bekam Mehling einen Brief von der Würzburger Hofkammer, der ihn beauftragte, Tiepolo für die Arbeiten in Würzburg zu gewinnen. Mehling konnte schon sehr schnell gute Nachrichten nach Würzburg senden: Tiepolo hatte sich dazu entschlossen, nach Würzburg zu kommen! Das Unwahrscheinliche war wahr geworden.
Den Sommer über war Tiepolo allerdings sehr beschäftigt und auch zwei Mal krank, so daß erst am 10. Oktober der endgültige Vertrag für die Fresken im Kaisersaal von Mehling ausgehandelt und unterzeichnet werden konnte. Am 12. Oktober 1750 trat Tiepolo schließlich mit seinen beiden ältesten Söhnen Domenico (23) und Lorenzo (14) die lange, anstrengende Reise über die Alpen an, wofür er ein Reisegeld von 3000 Gulden erhielt. Als Bezahlung sollte er für den Kaisersaal 10000 rheinische Gulden erhalten. Zusätzlich bekam er alle Materialien gestellt und freie Unterkunft und Verpflegung bei Hof zugesichert. Zuerst fand man das vereinbarte Honorar in der Würzburger Hofkammer viel zu hoch, der Fürstbischoff hatte jedoch jeden Versuch untersagt, die Summe herunterzuhandeln. Er befürchtete, daß Tiepolo dann womöglich unwillig an die Arbeit gehen könnte und so nicht das Meisterwerk schaffen würde, das er sich von ihm erhoffte.
Tiepolo kam nach zweimonatiger Reise schließlich
am 12. Dezember 1750 in Würzburg an, wo er sogleich fürstlich
behandelt wurde. Er bekam eine 5-Zimmer-Wohnung am Hof und durfte an der
Kavalierstafel speisen, was eine besondere Ehre war. Eine kleine Episode
zeigt, wie wichtig Greiffenclau die gute Laune Tiepolos war. Das war als
Anfang Mai 1751 der Fürstbischof für einige Tage verreist war.
Die Hofküche in der Residenz wurde dann gewöhnlich geschlossen,
und den Zurückgebliebenen wurde ein Zehrgeld ausbezahlt. Für
die Maler aber wurde trotzdem gekocht. Das Essen war allerdings so schlecht,
daß sie sich bei Greiffenclau beschwerten. Sogleich wurde der Kavalierkoch
beauftragt, für sie zu kochen, damit Tiepolo wieder zufrieden war.
Warum kam Tiepolo nach Würzburg?
Zufrieden ist er ganz sicher auch mit seinem Lohn gewesen. Natürlich wird ihn auch die Größe der Aufgabe gelockt haben, er hatte immerhin die Herausforderung, den Hauptsaal einer Residenz solchen Ranges ausmalen zu dürfen. Außerdem wollte er, wie er selbst sagte, seinen Namen und seine Kunst in Deutschland verewigen. Aber dies allein hätte ihn schwerlich veranlassen können, in das so ferne Würzburg zu ziehen. Die Aufgabe, die man ihm aus Schweden angeboten hatte, war im Umfang wohl nicht viel geringer gewesen. Es wird in erster Linie die ungewöhnlich hohe Bezahlung gewesen sein, die ihn bewog, diesen Auftrag zu übernehmen. Die ihm zugesicherte Summe lag weit über dem, was sonst in Würzburg üblich gewesen war. In seiner Heimat konnte sich Tiepolo mit dem Vermögen, daß er in Würzburg verdiente, eine glänzendes Leben leisten, galten doch dort 100 bis 200 Dukaten jährliches Einkommen für einen Adeligen als ausreichend, um ein standesgemäßes Leben zu führen.
Da Tiepolo die Fresken im Kaisersaal zur vollsten Befriedigung von Greiffenclau beendet hatte, wurde anschließend sofort ein Vertrag für das Fresko im Treppenhaus geschlossen, der Tiepolo weitere 15000 Gulden einbringen sollte. Das war die höchste Bezahlung, die er überhaupt in seinem Leben für ein einzelnes Werk erhielt, wobei man natürlich berücksichtigen muß, daß das Treppenhausfresko rein von seiner Ausdehnung her das größte Fresko überhaupt war, das er (oder irgendein anderer Künstler) je malte.
Nicht lange nachdem er das Treppenhausfresko beendet hatte,
reiste Tiepolo am 8. November mit seinen Söhnen aus Würzburg
ab. Das Treppenhaus sollte für lange Jahre so stehen bleiben, wie
er es verlassen hatte, in dem provisorischem Putz , der noch aus den Zeiten
Friedrich Karls von Schönborn stammte. Die Kassen des Hofes waren
völlig erschöpft, so daß alle Arbeiten an der Residenz
eingestellt werden mußten. So starb am 25. November Tiepolos Auftraggeber
Karl Philipp von Greiffenclau, ohne die Vollendung des Treppenhauses erlebt
zu haben.