Thor

Thor im Norden oder Donar bei den kontinentalen germanischen Völkern ist „der Donnerer“), ursprünglich als Gattungsname „der Donner“

Daraus erschließt sich der gemeingermanische Gottesname Thor/Donar fungierte für die zur See fahrenden Völker als Gewitter- und Wettergott sowie in weiterer Funktion innerhalb der bäuerlichen germanischen Gesellschaft als Wahchstumsgottheit . In den Schriften der Edda hatte er die Aufgabe des Beschützers von Midgard, der Welt der Menschen.

Etymologie

Der Name der Gottheit ist eng verwandt mit anderen parallelen indogermanischen Gottheiten. „Iuppiter tonans“, Zeus, der keltische Taranis, nutzte als Waffe den steinernen Donnerkeil, der durch den Blitzstrahl vom Himmel zur Erde geworfen wurde. Der Kampf, den Indra führte, ist atmosphärisch durch Blitz und Donner dargestellt. Der Begriff Himmel geht auf eine indogermanischeWortwurzel zurück, die Stein, Amboss bedeutet.

Vom gemeingermanischen *Þunraz wird gesagt (analog zu Zeus), dass dessen Donner dem Fahren eines Wagens wie über ein Gewölbe gleicht (ags. Þunorrād „Donnerfahrt“). Blitz und Donner künden das Nahen Thors in der nordischen Mythik. So geht der germanische Name des Gottes gleichlautend mit dem des Naturphänomen anrufend auf eine Wortwurzel zurück, die einen Schalllaut darstellt, die speziell Wörter für Donner und donnern wortgleichend aufweisen;

Der Wochentag Donnerstag, dän. schwed. Torsdag ist nach Donar bzw. Thor benannt. Der Tag war bereits in der Antike den Göttern Zeus bzw. Jupiter geweiht (lat. dies Iovis, davon auch franz. jeudi, rum. joi, span. jueves, italien. giovedì) und wurde mit der Übernahme der ursprünglich babylonisch-/ ägyptischen 7- Tage-Woche durch die Germanen dem lateinischen Begriff nachgebildet.

Herkunft und indogermanische Parallelen

Bei den indogermanischen Sprachvölkern, und über sie hinaus, hat der Himmelsgott Blitz und Donner in seiner Gewalt. Donar/Thor entstand vermutlich durch Abspaltung beziehungsweise Trennung der Funktion als Beherrscher der Naturphänomene Blitz und Donner von diesem Himmel. Aus der nur indirekt erschlossenen indogermanischen Urreligion entwickelte sich die Gottheit in ihrer Vorstellung unter regionalen kulturell-religiösen Schwankungen bei den germanischen Völkern fort. Nach einer Theorie von haben die drei Hauptgötter bei den indogermanischen Völkern jeweils eine Funktion, der donnernde Himmelsgott hat die erste Position inne. Bei den Germanen hat sich die Gestalt des Donnerers von der des Himmelsgottes gesondert, so dass er die zweite Funktion der „Stärke“ ausfüllt. Die „Drei-Funktionen-Theorie“ Dumezils hat in der Forschung Anhänger gefunden, besonders durch Jan de Vries seit der zweiten Auflage seiner „Altgermanische Religionsgeschichte“ (1956/57) oder Ake V. Ströms Abhandlung in „Germanische [...] Religion“ (1975), aber auch Kritiker und Skeptiker.

Die Vorstellung des hammerschwingenden, wagenfahrenden Wetter-/Donnergottes ist ein uraltes Gottesbild; der hethitesche Gott wird identisch geschildert als wagenfahrende, mit Hammer-, beziehungsweise mit einer Keule attributierten Gottheit. Wird Thors Wagen von Böcken gezogen, so sind es bei Tarhunna Stiere, und bei Indra rötliche oder falbe Pferde, auch dessen Waffe, eine Wurfkeule, wurde von einem niederen Wesen gefertigt. Diese Keule kehrt wie Thors von dem Zwerg Sindri gefertigter Hammer Mjölnir nach dem Wurf in die Hand des Gottes zurück.

In zahlreichen skandinavischen Felszeichnungen und Abbildungen in Steingräbern sind männliche Figuren zu finden, die einen Hammer oder vielmehr Äxte (Doppeläxte) bzw. Beile erheben, oftmals in eigentümlicher Pose, weshalb sie als göttliche Wesen gedeutet werden. Zu den teilweisen bockgestaltigen „hammerschwingenden“ Figuren der Felszeichnungen weist Franz Rolf Schröder auf die Darstellung in der nordischen Mythologie hin und die geschilderte enge Bindung von Thor zu seinen attributiven wagenziehenden Ziegenböcken. Im indogermanischen Vergleich ist festzustellen, dass die verwandten Donnergottheiten von Thor/Donar zwischen Axt, Hammer und Keule tendieren. Ein Amulett mit der Darstellung des Thorshammers im nordgermanischen Raum bzw. der Donarskeule im südgermanischen Raum galt in spätheidnischer Zeit besonders bei Frauen als Fruchtbarkeitssymbol (Grabungsfunde in Haithabu) und taucht als solches erst zu dieser späten Zeit auf.

Eine weitere Parallele zu anderen indogermanischen Mythen ist der Drachen-- bzw. Schlangenkampf, den der Donnergott austrägt. Bei Thor ist es die Auseinandersetzung mit der Midgardschlange, bei den Griechen Apollon mit Python und Herakles gegen Hydra, der Tarhunna und die Schlange Illuyanka, und in der indischen Mythologie der Kampf des Gottes Indra mit dem Vrithra-Drachen. Dieser wird in den Rigveden mit immer neuen Hymnen gepriesen. Das Besingen des Drachenkämpfers und Ungeheuerbezwingers im Mythos ist in allen genannten Kulturen evident; es handelt sich um kultsymbolische Kämpfe, die zum prägenden religiösen Typus wurden. Eine weitere mythische Parallele teilen sich Thor und Indra. Der Kampf Thors mit dem Riesen der ein dreizackiges Herz aus Stein hat, gleicht dem Kampf Indras gegen das dreiköpfige Ungeheuer Thrisiras.

Eine auffällige Parallele besteht in der Form des Dialoges, den Thor mit Odin beispielhaft im Harbardslio führt, und den Dialogen, die Indra mit Varuna laut den Rigveden führt. Diese Dialoge stellen keinen aggressiven Konflikt der unterschiedlichen Kulte dar, sondern eine uralte Dialogform, basierend auf den unterschiedlichen Naturen der Götter innerhalb ihrer strukturellen Funktionsbereiche. Die meisten menschgestaltigen Züge teilt Thor mit Indra hinsichtlich der Haare und dem Tragen eines Bartes. Indra wird als blondhaarig und mit einem blonden Bart in den Rigveden geschildert, Thor wird der „Rotbart“ genannt, und auch vom Wesen her gelten beide als menschenfreundlich.

Auch die Verbindung zur Eiche als Attribut wird teilweise als Parallele zu anderen indogermanischen Göttern gedeutet. Der Baumkult in seinen diversen Ausformungen ist häufig mit Fruchtbarkeitsriten verbunden. In den mythischen eddischen Liedern Hárbarðslióð und Vóluspa wird Thors Mutter Fjörgyn, die Ehefrau Fjorgynns, genannt (Fjörgnjar burr) Fjorgyn(n) ist in den altnordischen Quellen selten genannt, entspricht jedoch lautlich dem litauischen Perkunas und dem lettischen *Perkuns. Im Litauischen und Lettischen ist dies der Gewittergott, der ebenfalls kultisch mit der Eiche in Bedeutung steht.

Quellenlage und Grundbedingungen

Die Vorstellung von Donar/Thor ist bedingt durch das hohe Alter unter den germanischen Völkern ein relativ einheitliches mythisches und religiöses Subjekt. Dennoch gab es durchaus Entwicklungen und Veränderungen, besonders in der römischen Kaiserzeit, in der Epoche der Völkerwanderung bis zur Wikingerzeit in Skandinavien.

In den religiösen Systemen der west- und nordgermanischen Völker entstanden Unterschiede, beziehungsweise Veränderungen in den Positionierungen der Ränge der als männlich verehrten Hochgötter. Der Kult um Wodan/Odin nimmt nach einer Annahme von Teilen der Forschung von Süden nach Norden wandernd die höchste Stellung ein und verdrängt den alten Himmelsgott Tyr, dem auch Thor zumindest in der skaldischen Poesie untergeordnet wird. Ein Wissenschaftler wies im Zusammenhang der germanischen Wochentagsbenennung darauf hin, dass gerade aus der Gleichung Jovis/Jupiter = Donar und deren Altertümlichkeit sich ableiten lässt, dass Donar im kontinentalen Bereich der Germania vermutlich eine Vorrangstellung innehatte. Ein besonderer Umstand ist nach den Quellen die Diskussion um die Funktion oder Eigenschaft der Weihetätigkeit die Donar/Thor zugewiesen, beziehungsweise abgesprochen wird, und ob diese Funktion Bestand seit frühester Zeit war.

Mit der frühen und intensiven Christianisierung der kontinentalen germanischen Stämme und Völker geht eine Vernichtung von Schriften und ein Verlust mündlich überlieferten Wissens und Traditionen nicht-christlichen Inhalts einher. Tiefergehende Aufschlüsse des durch die Christen so betitelten „germanischen Heidentums“ , insbesondere zu Donar/Thor, lassen wegen der hauptsächlich klerikal geprägten Quellen des frühen Mittelalters nur eine bedingte Aussagekraft über Donar/Thor zu als primäre Figur, noch daran anhängig der ihm betreffende Kult und Ritus seitens der Dedikanten, der germanischen Verehrer.

Für die hauptsächlich nordwestnordisch-skandinavischen schriftlichen Quellen aus Island und Norwegen gilt ebenfalls das Problem der Christianisierung, die zwischen ungebrochener Religiosität und „heidnischer Zeit” sowie deren Praxis in Kult und Ritus lag. Die Niederschriften lassen sich für die Zeit vom 10. bis zum 13. Jahrhundert zuordnen, und die stoffliche Tradition reicht nur teilweise gesichert in die Zeit vor der Christianisierung zurück. Das hatte unmittelbaren Einfluss auf die mythischen zuerst mündlichen Überlieferungen, die später beispielsweise in den Gattungen der eddischen Schriften und der Sagaliteraturen stofflich und fiktional aus dem speziellen Milieu der frühen Siedlergenerationen Islands heraus, später dann handschriftlich festgehalten wurden. Die heutigen Kenntnisse über Thor sind größtenteils diesem Schrifttum entnommen, jedoch von christlichen Einflüssen nicht unberührt geblieben und deshalb aus christlicher Perspektive von christlichem Personal verfasst.

In der skaldischen Poetik, beziehungsweise in einem kleinen Teil des erhaltenen Textkorpus (Þórsþula), deren frühsten Aufzeichnungen zeitlich noch im paganen Kontext stehen, kommt Thor eine besondere Bedeutung zu. Für keine andere Gottheit wurden der Anzahl nach so viele Strophen gedichtet. Ihnen kommt bei der Typologisierung Thors besondere Bedeutung bei, da sie ein Bindeglied darstellen zwischen den vorwiegend paganen Vorstellungen und denen der hochmittelalterlich-christlich beeinflussten Poetik und Prosa. Auffällig ist das häufig zitierte Motiv des Kampfes Thors mit der Midgardschlange und den Riesen (Geirröðr-Mythos) in der skaldischen und eddischen Poesie, deren religiöse und besonders mythische Bedeutung oben herausgehoben wurde („Herkunft und indogermanische Parallelen“). Grundsätzlich muss der Aussagewert des Mythos getrennt betrachtet werden von dem des nachweisbaren Aussagewert des religiösen Kultes, insbesondere beim schriftlichen Quellenbefund.

Zu den schriftlichen Quellen unterschiedlicher Arten und Zeiten kommt daher dem archäologische Bericht, die Auswertung von Funden, beziehungsweise deren Deutungen einen wichtigen Stellenwert zu. Runeninschriften und Ikonographien auf Gütern und Objekten unterschiedlicher Art und Materialien können die schriftlichen Quellen aus Prosa und Mythologie zu Donar/Thor ergänzen, aber auch in Frage stellen, oder diese offen unbeantwortet lassen. Wichtige Beiträge hat die Ortsnamenforschung über den gesamten germanischen Sprachraum ergeben, da diese mit Abstrichen und Vorsicht auf ehemalige Kultorte schließen lassen, die Donar/Thor geweiht waren. Solche Orte finden sich vor allem in Dänemark, England, Island, Norwegen und Schweden.

Das Thorsberger Moor im schleswig-holsteinischen Ort Süderbrarup gilt als zentrales Stammesheiligtum der Angeln. Vermutlich dem Donar geweiht, entstammt der heutige Name ebenfalls wie teilweise in England dem späteren wikingerzeitlichen dänisch-nordischen Einfluss. Ob die Angeln nur Donar Opfer darbrachten oder auch anderen Gottheiten bleibt ungeklärt. Jedoch lassen die Artefakte gewisse Rückschlüsse auf die besonderen Anlässe beziehungsweise Umstände durch beispielsweise dargebrachte Waffenopfer zu. Die Opfertätigkeit endet im 5. Jahrhundert mit der Abwanderung großer Teile des Stammes auf die britische Insel.

Auf einem sächsischen Gräberfeld vom niedersächsischen Liebenau bei Nienburg an der Weser wurden in Körpergräbern von Frauen sogenannte „Donarskeulen“ als Beigabe gefunden. Dies zeigt die besondere Funktion Donars als Fruchtbarkeitsspender sowie seine kultische Verehrung unter den Sachsen auf vergleichbare Weise wie bei anderen germanischen Völkern. Eine weitere Funktion ist der Aspekt der Schadensabwehr, die ableitbar zu deuten ist, nach der Vorbildfunktion römischer Herkuleskeulen die durch die Germanen nachgeahmt, beziehungsweise entlehnt wurden.

Bei der südnorwegischen Örtlichkeit „Torshov gård“ bei Hamar in der Provinz Hedmarken lag ein Tempelheiligtum, das Thor geweiht war und von der ansässigen bäuerlichen Bevölkerung genutzt wurde im Sinne der Funktion, welche dieser primär für diese Menschengruppe innehatte. In diesen Tempeln oder an anderen sakralen Orten wurden gemäß den Aussagen der schriftlichen Quellen der Sagaliteratur Thor beschnitzte Pfähle geweiht und durch Votivgaben Opferhandlungen dargebracht. Adam von Bremen berichtet von einem christlichen angelsächsischen Missionar, Wulfrad, der sich zur Mission bei den heidnischen Schweden aufhielt, und dort an einer Thingstätte („in concilio paganorum“) ein Thorsbild zerstörte („ydolum gentis nomine Thor“). Daraufhin wurde dieser durch die Schweden getötet und in einem (Opfer)Moor versenkt. Aussagen zu etwaigen Menschenopfern in diesen Quellen der Sagaliteratur und Berichten von klerikalen mittelalterlichen Chronisten sind als unsicher zu werten.

Zutreffender sind Opferungen von Tieren, gerade in Hinblick auf die mythische Verbindung von Thor zu dessen Ziegenböcken Tanngnjostr und Tanngrisnir.

Nach Rudolf Simek könnte die unten beschriebene Szene der Opferung der Ziegenböcke und deren Wiederbelebung eine „Reminiszenz von Thorsopfern sein, welche archaischer wirken als die Angaben christlicher Autoren und deren phantastischen Berichte von Menschenopfern“ („Lexikon der Germanischen Mythologie“ Seite 420, Stuttgart 2006). Unter diesem Gesichtspunkt ist auch der Bericht über ein Thorsopfer in Island beim Ort Thorness zu sehen, wo dem Delinquent in einem dómr, einem Rechtsspruch, auf einem „Thorstein“ vermutlich das Rückgrat gebrochen wurde. Menschenopfer waren über den gesamten räumlichen wie zeitlichen Rahmen der paganen Epoche bei den germanischen Völkern selten, solche an Thor zudem nicht belegbar.

Weitere Zeugnisse, die einen Bezug zu Thor herstellen, sind Bildsteine, Runensteie und einige wenige Münzfunde beziehungsweise Amulette im skandinavischen Raum, vor allem hierbei durch die Form von Inschriften. Sechs Steine aus Dänemark und Schweden tragen die Abbildung des Thorshammers. Runensteine, welche die Thorverehrung mit der anrufenden Weiheformulierung „ Thor weihe!“ bezeugen, sind vier wikingerzeitliche Exemplare aus beiden Ländern. Ake V. Ström sieht diese Weiheformeln und gleichlautende literarische Motive als deutliches Anzeichen der besonderen Fruchtbarkeits- und Schutzfunktion Thors. Edith Marold sieht in den Inschriften des 9. und 10. Jahrhunderts mit dem Weihebezug eine Neubildung in der Spätphase von Religiosität unter christlichen Einfluss.

Bildsteine sind dann sicher auf Thor zu beziehen, wenn eine Kombination mehrerer vorliegender Merkmale eine Identifikation ermöglicht. Auf dem Runenstein von Altuna aus der schwedischen Region Uppland, dem nordenglischen Gosfarth-Kreuz sowie auf dem jütländischen Steinblock in der Kirche von Hørdum in Thy und auf dem gotländischen Bildstein „Ardre VIII“ ist die unten beschriebene mythische Szene abgebildet, in der Thor hammerschwingend mit der Midgard-Schlange kämpft. Andere Bildsteine greifen den Hrungrimythos thematisch auf, indem sie das dreizackig-verwinkelte Hrungir-Herz in szenischen Motiven zeigen, und somit dadurch indirekt die mentale Präsenz Thors bei den Menschen verdeutlicht wird. Der Runenstein von Karlevi, auf der schwedischen Insel Öland, kann eine interessante weitere Form der indirekten Bezugnahme darstellen, in der die sprachliche organische Verflechtung und verinnerlichte tiefe Bedeutung durch den Aspekt einer mythischen Figur, die eng mit Thor verbunden ist. Bei der Inschrift handelt es sich um die Preisung eines verstorbenen dänischen Wikingerführers.

Þrúðr ist die Tochter Thors, und in diesem textlichen Zusammenhang stellt die Wendung eine poetische Umschreibung dar. „Dáðir dolga Þrúdar“ bedeutet übersetzt nach Klaus Düwel: „Der Baum der Thrud der Kämpfe“, oder „Göttin der Kämpfe“, und bedeutet übertragen der „Kampf-Baum“, eine Umschreibung für den Krieger. Ein Amulett aus Sigtuna bezieht sich ebenfalls auf den Kampf, den Thor mit den Riesen allgemein ausführt. Die Inschrift lautet: „Thor verwunde dich, Herr der Riesen“.

In die auslaufende heidnische Zeit fällt die Besiedlung Islands. Die spätere Sagaliteratur greift dieses Ereignis häufig aus der mittelalterlich-christlichen Perspektive auf. In dem Landnámabók wird berichtet, wie der erste Siedler zur Bestimmung des idealen Siedlungplatzes eine hölzerne Hochsitzsäule „öndvegissúlur“ mit geschnitztem Thorsbild in das Küstengewässer warf und nachforschen ließ, wo diese Säule angelandet war. Dort errichtete man die neuen Hofstellen und baute für Thor einen neuen Tempel. Wegen der Funktion und Bedeutung Thors für die Menschen stellten diese agrarischen Gemeinschaften sich durch die kultische Handlung unter dessen Schutz, aus ihrem natürlichen Gefühl und Bewusstsein der religiösen Bindung heraus.

Thor in der Nordischen Mythologie

Thor trägt seinen Hammer Mjölnir und den Machtgürtel Megingiard. Wenn Thor den Hammer wegschleudert, kommt dieser immer wieder zurück.

Die altnordische Literatur zeichnet ein deutliches Bild von Thor in den sogenannten „Thorsmythen”. Die einzelnen Motivlagen wurden teilweise literarisch überformt und zeigen Thor folglich in den zum Teil schwankhaften Gedichten der Lieder-Edda sogar als Witzfigur.

In der Zusammenfassung wird Thor folgend geschildert und beschrieben:

Thor ist nach Odin der oberste und gefürchtetste der Götter. Er ist der Sohn von Odin und Jörd (der Erde), seine Ehefrau war die schöne goldhaarige Sif, mit der er eine Tochter, Thrud (Kraft), hatte. Mit der Jotenjungfrau Jarnsaxa, einer Riesin, die von solcher Schönheit war, dass Thor, obwohl ein geschworener Feind der Riesen, mit ihr schlief, hatte er zwei Söhne, Magniund Modi, sein Lieblingssohn war Magni, der unter allen an Mut und Stärke ihm am ähnlichsten war. Thors Reich heißt Thrudvangr, und der Palast darin, Bilskirnir, ist mit 540 Sälen der größte, der je in Asgard erbaut worden ist.

Furchtbar fährt Thor daher, rollend, donnernd, über den Wolken auf seinem Wagen gezogen durch die Ziegenböcke; doch noch schrecklicher ist er, wenn er seinen Kraftgürtel Megingjarder umschnallt, der ihm doppelte Kraft verleiht, und wenn er mit seinen Eisenhandschuhen den Hammer Mjölnyr fasst und zermalmend unter seine und der Götter Feinde tritt. Hervorstechend ist hier seine Fehde mit den Riesen.

Einst stahl Thrym Thor seinen Hammer, als dieser schlief. Als Thor aufwachte, geriet er in hilflose Wut, da er sich seiner wichtigsten Waffe beraubt sah. Loki flog, mit Freyas Federkleid ausgestattet, durch die Gegend, erspähte Thors Hammer in Riesenheim und stellte Thrym zur Rede. Thrym wollte ihn nur unter der Bedingung zurückgeben, dass er die Göttin Freya zur Frau bekommt. Freya geriet allerdings in große Wut, als Loki ihr dies erzählte. Daraufhin schlug Loki vor, Thor als Freya zu verkleiden und ihn als Braut zu schmücken, und ihn Thrym als Freya zu präsentieren. Thor hatte zwar Bedenken, dass man ihn auslachen könnte, sah sich allerdings genötigt, auf diesen Plan einzugehen. Beide reisten in Verkleidung als Braut und Brautbegleiter zu Thrym. Thor fiel durch das Donnern, das seine Reise begleitete, seinen stechenden Blick, als Thrym ihm den Brautkuss geben wollte, und seine unglaubliche Gefräßigkeit beim Brautfest auf, Loki wusste allerdings Thrym immer wieder zu beruhigen. Zur Vollendung der Festlichkeiten ließ der Riesenfürst seiner Braut Thors Hammer Mjölnir in den Schoß legen, woraufhin der Donnergott seinen Hammer fasste und alle anwesenden Riesen, darunter auch Thrym, erschlug.

Eine oft zitierte und kommentierte Passage schildert die Verspeisung der den Wagen Thors als Gespann ziehenden Ziegenböcke und deren Wiederherstellung geschildert. Im Anschluss daran gelangt Thor, nunmehr mit begleitender Gruppe, zur Burg des Königs Utgartloki (Außenwelt-Loki Herr über Dämonen), der ihn durch gezieltes Demütigen bzw. das Infragestellen seiner göttlichen Macht und Kräfte herausfordert. Thor erhält drei Aufgaben von dem König. Zuerst fragt der König Thor, was er zu leisten vermöge, worauf Thor entgegnet, dass er es wie keiner sonst verstehe, das Trinkhorn zu leeren. Aber Thor versagt, selbst bei dreimaligem Ansetzen gelingt es ihm nicht, das Horn zu leeren. Es kommt aber noch schlimmer. Utgartloki fordert Thor auf, seine Götterkraft unter Beweis zu stellen, indem er diese Kraft offen anzweifelt. Der Gegner ist eine Gegnerin, es stellt sich die alte Frau Elli zum Ringkampf, und der Gott versucht sie mit allen Kräften ins Wanken zu bringen, vermag es aber nicht. Nun bemüht seine Gegnerin ihre Kräfte, und bald muss Thor geschlagen in die Knie gehen. Die dritte Aufgabe ist das Hochheben einer Katze; auch dies misslingt dem Gott.

Beschämt und gedemütigt ziehen sie weiter; kaum haben sie die Burg verlassen, klärt der König sie auf, dass alles auf Grund eines Zaubers so geschehen sei. Utgardloki erklärt, das Trinkhorn, aus dem Thor trank, habe Verbindung zum Meer gehabt, und die alte Frau sei das Alter selbst gewesen, das niemand besiegen könne. Die Katze wiederum sei die verzauberte Midgardschlange gewesen. Er habe Übernatürliches in den einzelnen Situationen geleistet. Thor, wütend, sich so getäuscht zu wissen, greift nach seinem Hammer, und in diesem Augenblick befinden sie sich alle auf einer weiten Ebene.

Um diese Scharte auszuwetzen, machte sich Thor in Begleitung des Riesen Hymir auf den Weg zur Midgardschlange im Meer. Sie fuhren so weit hinaus, dass dem Riesen angst und bange wurde. Thor bestückte den Haken einer Angelschnur mit einem Ochsenkopf als Köder. Die Schlange biss an, fühlte ihre Verletzung und schlug so hart an, dass Thor, die Schnur in den Händen haltend, auf die Reling des Bootes schlug und seine Götterkraft sich derart verstärkte, dass seine Beine den Bootsrumpf durchstießen und er auf dem Meeresgrund stand, wo er sich weiter gegen den Zug der Schlange stemmte. Thor zog die Schlange in die Höhe und schaute sie mit glühenden Augen an, diese versuchte ihn mit ihrem Gift zu besprühen, Thor ergriff seinen Hammer, um die Schlange zu erschlagen, doch der vor Angst erschütterte Hymir durchtrennte die Schnur. Der Gott stürzte vor Zorn den Riesen mit dem Kopf zuerst ins Meer, so dass dessen Beine sich nach oben streckten, dann watete Thor zurück ans trockene Land. In abweichender Version gelangen beide an Land, nachdem Thor dem Hymir eine Ohrfeige gegeben hatte.

In der Götterdämmerung findet Thor wie die meisten anderen Asen sein Ende, bezeichnenderweise durch die Midgardschlange. Die Schlange greift Thor an und verpestet durch ihre Ausdünstungen das Meer und die Luft. Thor erschlägt sie mit seinem Hammer, wankt aber neun Schritte zurück, um in den Giftströmen, die das Untier ausspeit, zu ertrinken

Reinhard v.Tümpling, im Januar 2014