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Wilde Farbexplosionen in ehemaliger Blindenschule
Fachoberschüler und Realschüler nutzen
"freiRäume" vor Umbau des alten Schulgebäudes
zu spannenden Rauminstallationen.
Im Mai 2003: Eine Explosion von Farben bedeckt Wand und
Fenster, stellenweise sind tiefe Krater in den Putz geschlagen, Mobiliar wurde
auf den Kopf gestellt, beklebt, bearbeitet. Alles, was in einer Schule sonst schärfstens
untersagt ist, dürfen und sollen Schüler zur Zeit in der ehemaligen
Landesblindenschule im Stadtteil Nymphenburg exzessiv ausleben: Im Rahmen des
Kunstprojekts "freiRäume" nutzen Fachoberschüler die leerstehende
Schule bis zum 9. Juli für künstlerische Rauminstallationen. Am 10.
Juli rücken dann die Handwerker an, um das Gebäude in zweijähriger
Arbeit seinem neuen Zweck zuzuführen: Dort entsteht unter Trägerschaft
des Augustinum ein neues Schulzentrum für hörgeschädigte und gehörlose
Schüler.
"Für uns alle ist das eine einmalige Chance", so die Kunsterzieher
Hubert Kretschmer und Andreas Riedlberger. Sie betreuen an der Samuel-Heinicke-Fachoberschule
für Hörgeschädigte die Zweige Gestaltung und Darstellung. "Wo
darf man sich sonst so hemmungslos ausbreiten?". Das Schulgebäude habe
eine eigenartige Aura ausgestrahlt. "Es bot Null optische Reize, nur rechte
Winkel, dunkle Flure, keine Farben - eben für Blinde. Für jemand mit
künstlerischen Ambitionen wirkte das wie eine Provokation". Die Schüler
hätten diese "Herausforderung" sofort und spontan angenommen. Kein
Maulen über die "Zusatzschichten" nachmittags und am Wochenende.
Schon jetzt sind aus den Klassenzimmern im tristen Alltagsgrau Gesamtkunstwerke
völlig unterschiedlicher Prägung entstanden: Wilde Installationen mit
Haufen von zerstörtem Mobiliar und irritierender Stroposkop-Beleuchtung,
heitere Mosaike aus leuchtend bunten Glasscherben, schwarze Flächen über
Decke und Wand mit bedrohlich leuchtenden Augen. Eine Skulpturenwand mit Kleiderbügeln,
höhlenartige Installationen, in denen die Orientierung verschwimmt.
"Wir kommen gar nicht damit nach, immer neue Farbeimer vom Baumarkt anzuschleifen",
so die Kunsterzieher, die ebenfalls mit einem Raum arbeiten. "Alles, was
hier rumliegt, wird verwendet: Klodeckel, Kleiderbügel, alte Schulbänke,
Regalbretter, Vorhänge". Entstanden seien beeindruckende Räume.
"Viele Schüler haben uns sehr erstaunt und sind weit über das hinausgegangen,
was wir sonst von ihnen kennen", so Andreas Riedlberger.
Am 3. und 4. Juli jeweils von 16.00 bis 20.00 Uhr sind die "freiRäume"
für die Öffentlichkeit zugänglich. Zum Abschluss der Aktion feiert
die Samuel-Heinicke-Schule, die gemeinsam mit der Landesschule für Gehörlose
2005 auf das neue Gelände umziehen wird, ein großes Fest auf dem Gelände.
(Aus der Pressemitteilung des Augustinum)
Eine Woche lang haben FOS-Schüler der Klassen 11 G und 12 G, trotz Notendruck
und Abivorbereitungsstress, die einmalige Chance genutzt und am Projekt gearbeitet.
Hubert Kretschmer / Andreas Riedlberger
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Beitrag im LB-Magazin, dem Online-Magazin für Hörgeschädigte: Im
Rausch
der Farben
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