Objektkunst - Kunstobjekt
eine Unterrichtseinheit zur Etablierung eines neuen Werkverständnisses zu Beginn des 20. Jahrhunderts

Der Lehrplan für das G8 sieht im zweiten Halbjahr der 11. Jahrgangsstufe einen Lernbereich "Objekt" vor. Damit eröffnet sich für den Unterricht ein weites Feld mit Anknüpfungspunkten an ein traditionelles Verständnis von Objektdarstellung über einen handwerklich-pragmatischen Zugang zu den Dingen unseres täglichen Gebrauchs (Design) bis hin zur Objektkunst, mit der zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts sich ein neues Kunst- und Werkverständnis Bahn brach.
Drei Unterrichtseinheiten stellen verschiedene Zugänge zu diesem Lernfeld vor. Im ersten geht es um die Etablierung eines neuen Kunstverständnisses, für das heute der Begriff Objektkunst steht.

von Uli Schuster 2006

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Der Begriff Objekt steht in der Kunst des 20. Jh in erster Linie für die Etablierung eines neuen Kunstverständnisses. Bis ins 19. Jh gilt in der bildenden Kunst Europas ein Gattungsverständnis, das einen Künstler und sein Werk der Architektur, der Malerei, der Bildhauerei zuordnet. Schon die Grafik nimmt in diesem System einen Sonderstatus ein. Als Handzeichnung sahen viele Theoretiker sie jedem Kunstwerk vorausgesetzt an, aber als eigene Werkkategorie wollte man sie lange nicht gelten lassen. Als Druckgrafik hat man sie deshalb nicht gern in einen Zusammenhang mit der freien Kunst gestellt, weil dort die reproduktive Aufgabe im Vordergrund stand. So erging es auch der Fotografie, die erst in der 2. Hälfte des 20. Jh museale Weihen erlangte.
Der Begriff Kunstobjekt seht  heute für eine Aushöhlung des traditionellen Werkverständnisses zu Beginn des 20. Jhs. Auch wenn damit ein Prozess bezeichnet wird, für den sich einige Schritte vom Realismus über den Impressionismus bis hin zum Kubismus, Futurismus und Dada benennen lassen, so ist es im Rückblick vor allem Marcel Duchamp, der mit seiner Erfindung des "Ready Made" um 1911 die deutlichsten Marken setzt. Dass die Kunstwelt sich gegen diese Ideen zur Wehr setzte und ein halbes Jahrhundert brauchte um die veränderten Perspektiven im Verlauf der 1960er Jahre zu akzeptieren ist einer gesonderten Betrachtung wert.

Meilensteine
  • Realismus

  • Courbets Wendung gegen den herrschenden Klassizismus und dessen Idee vom Idealschönen sowie ein wachsender Unmut vieler junger Künstler gegenüber einem als starr empfundenen Akademismus bereiten den Boden für eine Neubewertung einer Darstellungswürdigkeit des realen Lebens, der realen Dinge als Sujet eines Kunstwerks.
     
  • Impressionismus

  • Im Begriff Impression ist die sinnliche Wahrnehmung der Natur über die Welt der schönen Ideen gesetzt, ist der flüchtige Moment gegen die ewigen Wahrheiten, das real existierende Motiv gegen das literarische Thema ausgespielt. Das ultimative Meisterwerk erscheint dem Realisten Balsac ("Das unbekannte Meisterwerk") als eine Fiktion, ein Hirngespinst. Der Impressionismus begründet ein Werkverständnis, das skizzenhaftes duldet, das mit Serien -quasi experimentell- arbeitet, das Emotion, Erregung und persönlichen Duktus kultiviert. 
     
  • Les Incoherents

  • Die avantgardistische Gruppe "Les Incoherents" präsentierten 1882 bei einer "Exposition des Arts Incohérents" in Paris ihrem Publikum absurde, irrationale und ikonoklastische Werke. Darunter "Fundsachen" als Kunstwerke, Kinderzeichnungen, Bilder von Leuten, die nicht zeichnen/malen können. Der Fotograf und spätere Animationsfilmer Émile Cohl trug zu der Ausstellung Fotografien bei, die später als "surrealistisch" bezeichnet wurden. Eugène Bataille brachte eine  'augmented' (= verbesserte) Mona Lisa zur Ausstellung, einen Vorläufer von Duchamps "L.H.O.O.Q." von 1919. Paul Bilhaud (geb. in Allichamps 1854 - gestorben 1933) war ein französischer Dichter und Dramatiker. Er gilt als Autor eines in dieser Ausstellung gezeigten schwarzen Bildes mit dem Titel "Neger beim nächtlichen Kampf im Keller". Damit nimmt er Malewitschs ernst gemeintes "Schwarzes Quadrat" als Witz um Jarhrzehnte vorweg ohne dass die Kunstgeschichte davon Kenntnis nahm. Der Dichter und Spaßvogel Alphonse Allais nahm 1887 die Idee auf mit einer Serie monochromer Bilder in gleichförmigen Goldrahmen mit sprichwörtlich gewordenen Titeln. Z.B. Rotes Bild: "Tomatenernte an der Küste des Roten Meeres durch apoplektische Kardinäle" oder weißes Bild: "Erstkommunion junger bleichsüchtiger Mädchen bei Schneetreiben". Die Kunstgeschichte hat von diesen Vorläufern von Dada bis heute nur wenig Kenntnis genommen. In der Entdeckung des Absurden war die Literatur offenbar der bildenden Kunst einige Zeit voraus. So haben die Dichter Alphonse Allais, Paul Bilhaud  und Isidore Lucien Ducasse (genannt Lautréamont) schon gegen Ende des 19. Jh den Werthorizont der Kunst um das Absurde erweitert. Berühmt geworden ist eine Stelle, in der Lautréamont mittels einer absurden Metapher die Schönheit eines Jünglings so beschreibt:
    „Er ist schön wie das zufällige Zusammentreffen einer Nähmaschine und eines Regenschirms auf einem Seziertisch!“
    André Breton hat diese Stelle später als Ursprung des Surrealismus in Anspruch genommen.
     
  • Kubismus

  • Der Kubismus entfaltet die Idee der Collage unter dem Begriff Papiers collés, indem er in Gemälde und Plastiken reale Dinge integriert, einen Zeitungsausschnitt, eine Serviette, ein Fundsück aus der Natur. Damit verabschiedet sich die Idee vom gemalten Bild als einer Illusion und Täuschung des Gesichtssinnes. Maquette und tableau objet sind die neuen Begriffe für künstlerische Arbeiten, die sich zwischen die Gattungen Malerei und Plastik schieben und heute der Objektkunst zugeordnet sind. Archipenko spricht von 'Skulpto-Malerei'. Auch der Begriff 'Komposition' taucht gelegentlich auf.
     
  • Futurismus

  • Die Futuristen machen die Gegenstände des modernen Lebens, Bewegung und Geschwindigkeit zu ihrem Thema. Provokation, Rebellion, Revolution ziehen ein in künstlerische Darbietungen, Manifeste, öffentliche Auftritte, Ausstellungen. Der Faustschlag als künstlerische Äußerung. Unter Ballas Regie entsteht ein Manifest der futuristischen Skulptur, in demes auch um Erweiterung des traditionellen Kanons an bildhauerischen Materialien geht. Es ist die Rede von 'plastischen Komplexen', 'kinetischen Skulpturen', der Begriff Collage taucht in Verianten auf.
     
  • Dada

  • Mit den Dadaisten zieht eine Vorstellung von Antikunst ins Kunstverständnis ein. Absurde Dichtung, Sinniger Unsinn, inszeniertes Chaos, Cabaret, Experimente stiften auf ihre eigene Art neue Ausdrucksformen und neuartige Artefakte, die innerhalb der traditionellen Gattungen schwer einzuordnen sind und auch gezielt die Grenzen sprengen wollen. Schwitters erfindet das 'Merzbild'
     
  • Konstruktivismus

  • ...da kommt noch was....!
    Tatlin setzt auf dem plastischen Begriff Relief auf und erfindet das 'Malerei-Relief' und das 'Konter Relief'. Der Begriff 'Materialbild' taucht auf. Lissitzky spricht von 'Proun-Konstruktionen'.
  • Surrealismus

  • während sich im zweiten Jahrzehnt des 20. Jh die Malerei und Teile der Plastik vom Objekt weg in die Abstraktion verabschieden entdeckt der Surrealismus die Welt der Dinge neu als nahezu unerschöpflichen Spiegel menschlicher Bedürfnisse, Ängste, Nöte. Die Surrealisten gehören mit zu den eifrigsten Erfindern neuer Bildkonzepte. 'Object trouvé, Frottage, Grattage, Decalcomanie

Objektkunst
Repräsentativ für die Entfaltung des Begriffs Objektkunst können Ansätze im Kubismus, bei Dada, im Surrealismus und in der Pop-Art gesehen werden.
  • Kubistische Objekte sind eher formalen Gestaltungsüberlegungen geschuldet (z.B. Picassos Gitarren).
  • Dadaistische Objekte suchen oft den Reiz der Überraschung und Provokation (z.B. Duchamps oder Man Rays Objekte)
  • Surrealistische Objekte verdanken sich in der Regel psychologischen Ideen (z.B.  Dalis oder Oppenheims Fetische
  • Objekte der Pop Art spielen gern mit dem Warencharakter von Artikeln des Massenkonsums (z.B. Warhols Objekte)

1. Ein Beispiel für ein kubistisches "Objekt"

Pablo Picasso, Maquette Gitarre 
Paris, [October] 1912
Karton und Draht (restauriert), 65 x 33 x 19 cm
Museum of Modern Art, New York
Picassos erste 'kubistische Objekte' stehen offenbar im Zusammenhang mit seinem 1912 erwachenden Interesse an Collagen. Ein Interesse an Musik hat er in Interviews abgestritten, nicht aber eine von ihm gesehene formale Analogie zwischen den Körpern von Gitarren, Mandolinen, Violinen und dem weiblichen Körper.
"...diese Musikinstrumente haben bei Picasso einen Verweisungscharakter. Er bringt die Bedeutung >weiblicher Körper< in der Form des Musikinstruments unter." (S.267 Katalog "Pablo Picasso", Haus der Kunst München 1981

Beschreibung
Der Wirbelkasten bildet den Kopf, das Griffbrett steht für Hals und Wirbelsäule. Was immer Picasso angetrieben haben mag zu solchen Montagen, so kann man doch zweifelsfrei feststellen, dass es ihm nicht um einen Klangkörper im akustischen Sinn geht. Formale Elemente des Musikinstruments werden völlig aus ihrem instrumentalen Zusammenhang gerissen. Der Korpus (= Klangkörper) wird in zwei maßstäblich verzerrten, flachen, gekurvten Bruchstücken als Boden und Decke zitiert. Die den Hohlkörper bei der Gitarre umschließenden Zargen (die den Korpus umschließenden Wände) fehlen oder werden fragmentarisch als Seitenwände einer offenen, eckigen Schachtel uminterpretiert. Das Schalloch ist nicht mehr eine runde Öffnung in der Decke, sondern mutiert zu einem am Boden der Konstruktion mittels Klebelaschen angehefteten Rohr. Der Hals der Gitarre wird dargestellt durch einen nach oben offenen Halbzyliner. Die Bundstege (auch Bundstäbchen), bei der Gitarre aus Draht bestehend und in das Griffbrett eingelassen, werden durch Schnüre oder krumme Drähte dargestellt und scheinen dem längs geschnittenen Zylinder des "Griffbretts" seine Form zu erhalten. Drei Saiten hängen mehr lose als gespannt zwischen Wirbelkasten und Schalloch. Gitarren benötigen keinen Wirbelkasten wie deren nahe Verwandte, die Laute oder die entferntere Verwandtschaft der Streichinstrumente, z.B. die Violine. Ihr Kopf besteht aus einem flachen Brett, in das die Mechaniken zum Spannen der 5 Saiten integriert sind. Dieser Kopf ist hier als sehr spitzes Dreieck in die Hohlform des Halbzylinders gestellt. Auf Wirbel verzichtet Picasso. Instrumental ist dies eine absurde Konstruktion, der formalen Zitate wegen doch absolut erkennbar als Gitarre. 
Ein Formelement erklärt sich mir nicht aus dem Körper des Instruments Gitarre: Die hinterste Schicht des reliefartigen Aufbaus ist ganz unten und rechts gerade beschnitten und bildet unten rechts einen nahezu rechten Winkel, während sie oben, wo der Korpus endet, umgebogen scheint und mit der als 'Zargenersatz' von mir bezeichneten "Schachtelwand" verzahnt wurde. Dieser flache, rechtwinklige Abschluss des Objekts korrespondiert formal mit der eckigen Schachtel, aus der der 'Korpus' gebildet wurde und holt die ganze Konstruktion als Bild an der Wand oder tableau objet  zurück auf die üblichen geometrischen Begrenzungen eines Bildes. Je nach Blickwinkel auf dieses Gebilde bietet sich eine unterschiedliche Sicht auf die dem Betrachter entgegenstehenden Teile, auf helle und beschattete Bereiche.

Picasso hat mehrere Maquettes (frz. = Entwurf, Skizze, Modell) zur Gitarre hergestellt. In der Mehrheit waren sie aus Karton und Papier. Auf einem Atelierfoto vom November-Dezember 1912 sind gleich drei dieser Modelle in unterschiedlicher Größe zusammen mit Zeichnungen und Collagen an der Atelierwand hängend zu sehen. ("Picasso und Braque", William Rubin, 1990, S.30). Kurz nach der großen Kartonversion (Abb.links) hat Picasso eine zweite Version aus Blech hergestellt. Daraus könnte man schließen, dass er dem zunächst vielleicht nur spielerisch gemeinten Objekt eine größere Dauer verleihen wollte und ihm damit auch eine größere Ernsthaftigkeit im Sinn einer Plastik, eines "Kunstobjekts" verleihen wollte. Der Begriff "Objektkunst" ist in der Literatur zu Picasso nicht gebräuchlich. Allerdings sprechen einige Autoren von einem tableau-object.

2. Ein Beispiel für ein Dada-Objekt

Marcel Duchamp, "Fountain"
New York 1917
Foto von A. Stieglitz 1917, entstanden im Atelier Stieglitz, 291 Fifth Ave. NY, vor einer Malerei von Marsden Hartley "The Warriors" und erstmals veröffentlicht in "Blind Man N0 2
Duchamps "Fountain" steht im Zusammenhang mit einer Serie von Objekten, die seit 1913 entstanden ("Fahrrad-Rad" - 1913, "Flaschentrockner" - 1914, "In advance of the broken arm" - 1915), für die er selbst - allerdings erst 1915 den Namen "Ready-mades" geprägt hat. Den Begriff "Objektkunst" verwendet auch Duchamp nicht selbst. Erst 1915 und im Zusammenhang mit der Beschriftung der Schneeschaufel wurde der Begriff Ready-made in die Welt gesetzt. In New York hatte Duchamp die Schaufel in einem Eisenwarengeschäft an der Columbus Avenue bei einem Einkaufsbummel mit seinem schweizer Freund Jean Crotti gekauft und sie im gemeinsamen Atelier im Lincoln Arcade-Building mit dem o.g. Titel, seinem Namen und der Jahreszahl 1915 bemalt. Bald darauf, im Januar 1916, beschrieb er diese Aktion in einem Brief an seine Schwester Suzanne in Paris und bat sie darum, die in seinem Atelier in Paris zurückgelassenen Objekte Fahrrad-Rad und Flaschentrockner analog der Aufschrift auf der Schneeschaufel mit Titel und seinem Namen zu versehen, beide Dinge sozusagen aus der Ferne und duch die schwesterliche Hand zu Ready-mades zu deklarieren. Calvin Tomkins schreibt dazu in der Biografie:
"Es war zu spät. Beim Ausräumen seines Ateliers hatte Suzanne sowohl den Flaschentrockner wie das Fahrrad-Rad weggeworfen, die sie für nutzlosen Kram gehalten haben musste." (Calvin Tomkins, "Duchamp", 1999, S. 188)
Duchamp war ein Meister der Legendenbildung, und sein wohl ertragreichster Coup war "Fountain", ein Objekt, das er zur ersten juryfreien Ausstellung der Society of Independent Artists im April 1917 durch eine unbekannte Person einreichen ließ.
Nach dem Vorbild der französischen «Societe des Independants» sollten für die geplanten Ausstellungen keine Zensur und keine Vorauswahl durch eine Jury stattfinden, so daß jeder, »der die Gebühr bezahlte«, auch hätte ausstellen können. Der Künstler zahlte eine Eintrittsgebühr von einem Dollar, um Mitglied der Gesellschaft zu werden. Für die Jahresgebühr von fünf Dollar durfte er dann maximal zwei Werke in der Jahresausstellung zeigen." Unter diesen Bedingungen schien es für Duchamp möglich zu sein, einen Versuch mit einem neuen Ready-made zu unternehmen. Duchamp besorgt sich (auf irgendeine Weise bei der New Yorker Firma "J. L. Mott Iron Works", einem "sanitary equipment manufacturer", ein Urinal, wie es in öffentlichen Bedürfnisanstalten für Männer als Toilettenbecken Verwendung findet.“(Herbert Mann, "Marcel Duchamp:1917", S.21f)
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Als zuverlässig und rätselhaft zugleich muß ein Brief von Duchamp an seine Schwester Suzanne eingeschätzt werden, der am 11.4.1917, zwei Tage nach der Eröffnung der Ausstellung, geschrieben wurde. Dort heißt es: Eine meiner Freundinnen sandte unter dem männlichen Pseudonym Richard Mutt ein Urinal aus Porzellan als Skulptur ein; es war in keiner Weise unanständig - es gab keinen Grund, es zurückzuweisen. Das Komitee hat entschieden, sich zu weigern, dieses Ding zu zeigen. Ich habe meinen Rücktritt eingereicht, und das wird in New York zu Klatsch von einigem Wert führen.“ (Herbert Mann, "Marcel Duchamp:1917", S.27)
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Fountain wurde 1917 in der oben beschriebenen Ausstellung nicht präsentiert. Die Gruppe um Duchamp sorgte für ein wenig Wirbel in der Presse, dokumentierte den Fall in einer eigenen Zeitschrift "The blind Man" und sorgte so dafür, dass dieser Fall nicht zu schnell in Vergessenheit geriet.
Fountain aber teilt mit den meisten Ready-mades ein gemeinsames Schicksal: Die "Originale" sind Legende, von Fountain gibt es immerhin das Foto, das Stieglitz noch 1917 fertigte. Als in den 1950er Jahren(!) das kunsthistorische Interesse an Dada erwachte brauchte man Bilder und Objekte um darüber zu publizieren. Das vom retinalen Erlebnis abhängige Publikum und die Kunstgeschichtsschreibung waren und sind auch heute noch nicht so weit, um auf die ästhetische Dimension, gegen die Duchamp so polemisch opponiert hatte, ganz zu verzichten. Also wurden unter Mithilfe von Duchamp Repliken produziert, für die sonst in der Kunst wenig Verständnis vorhanden ist. Galeristen wie Arturo Schwarz konnten sich damit noch eine goldene Nase verdienen. 1967 wechselte ein Fahrrad-Rad den Besitzer für einen Preis von 350 000 Dollar; am 10./11.2.2007 berichtet die SZ von einem Attentat auf eine Replik von Fountain im Pariser Centre Pompidou. Für seine Beschädigung mit einem Hammer am 4.1.2006 musste Pierre Pinoncelli 14 352 Euro Strafe zahlen. Der Wert der Replik wurde auf 2,8 Millionen Euro geschätzt.  Schreiberlinge konnten Bände füllen mit der Frage ob Ready-mades Kunstwerke sind oder nicht. Calvin Tomkins schreibt: "Die Ready-mades waren keine Kunstwerke." (Calvin Tomkins, "Duchamp", 1999, S.495) Ursprünglich waren sie dies auch ganz offensichtlich nicht, aber indem sie Objekte von Kunstgeschichte wurden, indem sie in zahllosen Texten zur Kunst des 20. Jh die Geburt der "Objektkunst" repräsentieren, indem sie in Ausstellungen und Museen heute vorhanden sind, haben sie den Kunstbegriff um eine Facette erweitert, die wohl nicht mehr wegzudiskutieren ist. Eine für uns interessante Frage kristallisiert sich heraus: Wie können gewöhnliche Dinge, die nicht durch Kunstfertigkeit ihres Autors veredelt wurden, die nicht Resultat eines bildnerischen Prozesses sind, in den Rang von Kunstobjekten gelangen?

3. Ein Beispiel für ein surrealistisches Objekt

Vitrine in der Galerie Ratton 1936 mit surrealen Objekten, a.a der Pelztasse von M. Oppenheim

Meret Oppenheim,"Ma Gouvernante" 1936
Museum of Modern Art, New York
Meret Oppenheim wurde 1936 nahezu auf einen Schlag bekannt als Muse der Surrealisten. Neben damals skandalträchtigen Aktfotos von Man Ray trugen dazu nicht unerheblich zwei Objekte bei, die seither zu Paradebeispielen surrealistischer Objektkunst avancierten und 1937 in einer legendären Ausstellung in der Pariser Galerie von Charles Ratton (Mai 1936) zu sehen waren. "Frühstück im Pelz" oder auch "Pelztasse" und "Mein Kindermädchen". Im Deutschen klingen beide Titel zu harmlos für surreale Phantasien. 'Dejeunner en Fourrure' und 'Ma gouvernante' deuten sprachlich auf andere Vorstellungen.
"Wenn es nach der Künstlerin gegangen wäre, dann hätte das Objekt schlicht beschreibend «Tasse, soucoupe et cuillère revêtues en fourrure» geheissen. Und es hätte vermutlich nie so eingeschlagen wie unter dem erotisch aufgeladenen Titel «Déjeuner en fourrure». Dieser stammt nicht von Oppenheim, sondern vom Surrealistenpapst Breton, der das Objekt mit marktstrategisch geschickter Hand portierte. Die Anspielungen, an Sacher-Masochs Skandalbuch «Venus im Pelz» einerseits und an Edouard Manets Epochenbild «Déjeuner sur l’herbe» andererseits, erzählen indes vor allem von einem: von den erotischen Fantasien, die die männlichen Avantgardekünstler auf Oppenheim projizierten. So ist es nachvollziehbar, dass sich die Künstlerin schnell mit diesem Werk schwer tat. Trotz Erfolg und baldigem Ankauf durch das Museum of Modern Art. Was da kanonisiert und mit dem höchsten musealen Weihen ausgestattet wurde, entsprach einem Klischee weiblicher Kreativität, wie sie sich nur ein Männerhirn ausdenken kann, und hatte wenig zu tun mit der Künstlerin, die ihren eigenen Weg erst noch finden musste." (Claudia Spinelli in: "Die Weltwoche" vom 31.05.2006)
 «Venus im Pelz» ist eine Novelle aus dem Jahr 1870. Der Begriff Sado-Masochismus geht auf die Venus im Pelz zurück und ist aus Leopold von Sacher-Masochs Nachnamen gebildet in Kombination mit dem Namen des Marquis De Sade.
«Déjeuner sur l’herbe» ist der Titel eines Bildes von Manet, das wegen seiner Erotik und wegen einer Entrüstung der Kaiserin 1863 einen gewissen Skandal entfachte.
Beschreibung
Ma Gouvernante zeigt ein ovales, silbern glänzendes Tablett, auf dem ein Paar weißer, glänzender Stöckelschuhe (aus Leder?) mit der leicht abgetragenen, braunen Sohle nach oben liegend kunstvoll verschnürt liegen. Die hohen Absätze sind mit einer weißen Papiermanschette dekoriert wie die Keulen eines Gänse- oder Putenbratens. Die Anordnung wäre von oben gesehen außerordentlich symmetrisch, was durch die Schnürung unterstrichen wird, die quer zum Objekt vier annähernd parallele Zeilen bildet, die in der Mitte zwischen beiden Schuhen noch einmal in Längsrichtung verbunden und verknotet sind. 
Fünf Gegenstände/Motive spielen demnach in diesem Arrangement zusammen: Ein ovales, metallisch-silbernes Serviertablett, ein Paar weiße, getragene Stöckelschuhe, eine dünne, braune oder beige Schnur und zwei Geflügelmanschetten aus Papier. Diese fünf Dinge sind Gegenstände menschlichen Gebrauchs und besitzen daher nicht nur Materialqualitäten, sondern auch Gebrauchseigenschaften (Nutzen), die sich in beschreibbaren Situationen einzeln realisieren lassen. In der Kombination der Objekte wie der Gebrauchseigenschaften liegt ein Moment der Fremdheit oder Verfremdung. Sie entstammen nicht einer gemeinsamen Sphäre des Gebrauchs. Die Zusammenstellung repräsentiert keinen vertrauten Gebrauchszusammenhang, erweckt aber auch nicht den Eindruck von Zufälligkeit sondern wirkt wie eine absichtsvolle Gestaltung allerdings von obskurer Sinngebung. Die Gegenstände sind als solche auch nicht originär einer Sphäre von bildender Kunst zuordenbar. Sie sind nicht gemalt, modelliert, nicht für den Zweck des plastisch-skulpturalen Arrangements eigens hergestellt. Man könnte das Gebinde auflösen und jedes Objekt wieder seinem je eigenen Gebrauch zuführen. Die Dinge sprechen unterschiedliche Sinne an. Visuelle Reize, orale und olfaktorische Reize werden mit taktilen und sexuellen Stimuli zu einer ungewohnten, Verwirrung stiftenden Mixtur verschnürt. Tablett, Schuhe und Papiermanschetten, begrenzt auch die Schnur, besitzen gemeinsam eine Eignung für Zwecke der Präsentation. Aber in den Schuhen präsentieren Frauen ihre Beine- das ist hier nicht der Fall, die müssen/dürfen wir uns dazudenken. Mit Manschetten präsentiert der Koch einen Braten und auf dem Tablett präsentiert ein Kellner ein Glas Tee. Auch das ist hier nicht der Fall. Geschenke werden verschnürt, vorher aber eingewickelt. Wo der Inhalt Edles versprechen soll, benützt man ein Geschenkband, keine Paketschnur. Die Schnur allein sichert einem Präsent noch keinen Überraschungseffekt. Ma Gouvernante präsentiert Rätsel.

Man Ray, "The Enigma of Isidore Ducasse" 1920

Man Ray, "Venus Restaurée" 1936
Interpretationsansatz
Die Zusammenstellung und Anordnung der beschriebenen Elemente muss einem absurd vorkommen. Schuhe bekommt man nicht jeden Tag auf einem Tablett serviert. In der gegebenen Weise verschnürt und sozusagen auf dem Rücken liegend ist ihr Gebrauch ausgeschlossen. Tablett und Geflügelmanschetten bilden eher einen semantischen Zusammenhang, wenn auch die Art des Tabletts etwa für einen Braten ungeeignet erscheint. Ein Rätsel ist uns aufgegeben und ein Blick auf den Titel klärt auch nichts auf, sondern fügt den zu Fetischen stilisierten Dingen noch ein weiteres Rätsel hinzu, die Gouvernante. Der Begriff hat etwas romanhaftes, verweist auf eine andere Zeit und eine Gesellschaftsschicht in der Bedienstete mit zum Haushalt gehörten. 1936 mag das in großbürgerlichen Haushalten noch zugetroffen haben. Kommt ganz darauf an, wie man das heute aus dem Französischen übersetzt: Kindermädchen klingt für meine Ohren harmlos, Erzieherin könnte schon einen anderen Beigeschmack entfalten. So ein Titel nimmt im Surrealismus einen unverzichtbaren Rang ein, gehört viel unmittelbarer zum Objekt wie der Titel etwa für ein impressionistisches Bild.

Vergleicht man die beiden Ansichten, dann bietet sich doch ein recht unterschiedlicher Eindruck: Die Erotik des Objekts erschließt sich nicht aus jeder Ansicht in gleicher Weise. Nur der Blick von hinten auf Versen und Absätze der Schuhe macht das Keulenartige der Formen deutlich, die sich wie ein Hintern und gegrätschte Schenkel dem Betrachter entgegenrecken. High Heels sind Damenschuhe und als Kleidungsstücke 1936 noch klar als weiblich-erotisches Accessoire einzustufen. Weiß verleugnet den Aspekt sündhafter Verführung und signalisiert vielmehr die Unschuld einer Braut. Die Sohle verrät: man wurde berreits benutzt! Brautschuhe sind weiß, für ein Kindermädchen sind weiße Schuhe eher unpraktisch. Aber die Braut in unserem Fall ist zumindest ihrer Schuhe entkleidet. Mir fällt Joe Cocker ein, wenn er singt:"You can leave your hat on...!", nachdem er sein imaginäres Gegenüber aufgefordert hat die Kleider abzulegen. Und die Schuhe liegen in Fesseln vor uns und wecken Assoziationen an eine gebratene Pute. Deren Körper ist kopflos, hart wie eine Schuhsohle aus Leder und als Blickfang reduziert auf ein Paar gespreizter Schenkel. Gänse- oder Putenbraten sieht anders aus, da stehen die Keulen nicht in die Höhe. Bei Rollbraten kennt man eine Art ''Verschnürung", nicht aber beim Geflügel. Schuhsohlen wecken auch nicht das Bedürfnis zum Verzehr, es sei denn man begibt sich wie Charly Chaplin in "Goldrausch" (1925) in eine Situation, wo einem der Hunger sogar Schuhsohlen als essbar erscheinen lässt. Betrachtet man die die Schuhe in Oppenheims Arrangement als einen bildhaften Ersatz, eine Metapher für die Frau/Braut/Jungfrau, dann wird die Verschnürung zur Fesselung. Das weckt Assoziationen von Freiheitsentzug, Versklavung/Unterwerfung oder masochistischen Praktiken. 

Kontext
Das alles dürfte ziemlich weit entfernt sein von der Vorstellungswelt Jugendlicher oder angehender Erwachsener. Für die Surrealisten war die Vorstellungswelt von de Sade und Masoch eine im Verborgenen, im Unterbewussten wirkende Welt, mit der sie sich künstlerisch auseinandersetzten. So klingt es einigermaßen glaubhaft, was wir oben aus der 'Weltwoche' entnehmen, dass einige der Ideen und Titulierungen von Meret Oppenheims surrealistischen Objekten von 1936 ihr von Picasso, Breton und Man Ray eingeflüstert wurden, Männerphantasien sind. Man Ray hatte das Fesselungsmotiv schon 1920 für sich entdeckt und damit ein Arrangement und davon eine Fotografie geschaffen, die sich als Aushängeschild für Bretons Vorstellung von Surrealismus gut eignete (zu Isidore Ducasse siehe oben bei Les Incoherents). Unter der verschnürten Decke versteckte Man Ray angeblich eine Nähmaschine. Das Fesselungsmotiv spielt dann für ihn in den 1930er Jahren eine zunehmend masochistisch-erotische Rolle bis hin zu der zeitgleich mit Oppenheims "Gouvernante" entstandenen gefesselten Venus. Oppenheim war in dieser Zeit für zahlreiche Aktfotografien Man Rays Modell gewesen.


Wie kommt ein Kunstwerk ins Museum?
Schulbücher sparen in der Regel diese für den Künstler zentrale Frage aus, legen im schlimmsten Fall sogar eine völlig falsche Fährte zu einer möglichen Antwort.
So kann man im "Grundkurs Kunst 2 " des Verlags Schroedel über Duchamp lesen: "...So entzuog er einem Flaschentrockner seine Gebrauchsfunktion und stellte ihn ins Museum..." (Klant/Walch 1990, S. 165). So einfach läuft das in der Regel nicht und lief es auch bei Duchamp nicht, wie oben in Bezug auf "Fountain" beschrieben wurde.  Das Ausstellungswesen für Werke der Kunst zu Beginn des 20. Jh gliedert sich in verschiedene Institutionen, von denen das Museum eine Art letzter Instanz ist.
  • Das Museum

  • Museen entstehen im Umfeld der französischen Revolution durch eine Öffnung von königlichen oder fürstlichen "Schatzkammern" für ein bürgerliches Publikum meist in den Räumlichkeiten, die diese Sammlungen in den Residenzen, Höfen bereits zu der Zeit belegten, als sie noch den adeligen Hausherren und ihren Hofschranzen exklusiv zugänglich waren. Der vielleicht bedeutendste Fall ist die Öffnung des Königlichen Stadtschlosses in Paris, des Louvre. Das Museum wurde 1793 eröffnet. Hier wurden die Kunstschätze der französischen Könige und des Adels zusammengetragen, sofern sie nicht geplündert oder verkauft worden waren. Unter Napoleon und seinem 'Kunstgeneral' David entstand die Idee einer kunstgeschichtlichen Ordnung und Komplettierung der Sammlung durch überall auf den kaiserlichen Feldzügen in Europa zusammengetragene Beutekunst.
    Dem Beispiel Napoleons folgten in Europa viele Herrscherhäuser. Mehr oder weniger freiwillig öffneten sie ihre Gärten und Sammlungen für ein bürgerliches Publikum oder richteten für ihre Sammlungen eigene Gebäude ein. So entstanden unter Ludwig I. in München mit die ersten speziell für diesen Zweck gebauten Museen, die Glyptothek und die heutige Antikensammlung am Königsplatz, sowie die Alte Pinakothek. Grundstock der Sammlungen waren die von Ludwig I. zusammengetragenen Kunstwerke. In diesen Fällen entschied also der Geschmack und Kunstverstand des Königs oder seiner Ratgeber welche Werke der Sammlung einverleibt wurden.
  • Der Salon

  • Im Louvre war schon vor der Revolution die französische Akademie der Künste untergebracht, deren Meister dort auch seit 1667, initiiert von König Ludwig XIV. regelmäßig Ausstellungen veranstalteten. Diese Ausstellungen wurden im 19. Jh unter dem Druck einer wachsenden bürgerlichen Künstlerschaft, der durch die Revolution das adelige Käuferpublikum abhanden gekommen war, mehr und mehr der bürgerlichen Kunst geöffnet. Eine Jury, bestehend aus den akademischen Hofkünstlern wählte unter den eingereichten Arbeiten diejenigen aus, die sie für ausstellungswürdig hielten. Für herausragende Leistungen wurden Preise (Medaillen) verliehen. Die Ausstellung fand statt im Salon Carré, die Bilder hingen dicht gedrängt in dem hohen Raum, eine Hängungskomission bestimmte, wo ein Bild platziert wurde. Eröffnet wurde der Salon vom Kaiser, die Bürger drängten sich dicht vor den Bildern und die junge Presse erfand die Kunstkritik und berichtete über den Erfolg und Misserfolg der Künstler, der sich in den Auszeichnungen und Verkaufserfolgen spiegelte. Als besondere Ehre galt es, wenn der Staat ein Werk ankaufte und es damit zumeist in den musealen Bestand integrierte.
    "Salon" wurde im 19. Jh zum Inbegriff jeglicher Kunstausstellung.
  • Künstlervereinigungen

  • Künstlerbünde als zunftähnliche oder zünftige Zusammenschlüsse reichen historisch bis ins Bauhüttenwesen des Mittelalters zurück. Im 19. Jh werden die Zünfte aufgelöst. Lose Vereinigungen entstehen in sogenannten "Künstlerkolonien" oder "Schulen" abseits des akademischen Betriebs bereits seit der Romantik. Einen merkantilen Charakter nehmen erst die Künstlervereinigungen an, die am Ende des 19. Jh als "Sezessionen" gebildet werden. Weil die Zahl der vom Salon durch die beamteten Hofkünstler ausjurierten und zurückgewiesenen Künstler für eine Mehrzahl insbesondere der Maler existenzbedrohend wird. Vorbild für die Sezessionen in München, Berlin, Wien um die Jahrhundertwende waren antiakademischen Künstlerbünde der Romantik (z.B. die Nazarener), die Aktion Courbets vor den Toren der der Weltausstellung 1855 und sein "Pavillon du Réalisme", der Salon der Zurückgewiesenen von 1863 und der Zusammenschluss der Impressionisten im Atelier des Fotografen Nadar 1874. 
    1863 kam es in Paris zum Eklat: Die überbordende Kritik, in die die Jury des Pariser Salons unter der Leitung des Grafen Nieuwekerke aufgrund ihrer rigiden Auswahl geraten war, veranlasste den französischen Kaiser Napoleon III. eine Ausstellung der Zurückgewiesenen zuzulassen. Graf Nieuwerkerke, der zugleich Generaldirektor der Museen, Superintendent der Schönen Künste und Präsident der Jury war, erhielt die Weisung, alle abgelehnten Gemälde in einem separaten Teil des offiziellen Salon zu zeigen. Ausstellungsort sollte der Palais de l'Industrie werden, der auch den Pariser Salon beherbergte seit der Louvre dafür zu eng geworden war.
    Sezessionisten gründeten freie Künstlervereinigungen mit dem zentralen Interesse gemeinsame Ausstellungen und Kataloge zu finanzieren. In der Regel war das nur in Großstädten möglich. Kunstvereine ließen nur Mitglieder zu ihren Ausstellungen zu, gelegentlich organisierten sie im Austausch auch Gastausstellungen. Ziel jeder Ausstellung war der Verkauf und die Publizität durch Presse und Kataloge.
  • Juryfreie Ausstellungen

  • 1884 wurde in Paris eine erste Société des Artistes Indépendants gegründet. . Diese Vereinigung wurde zum Sammelbecken der Refusierten (= Zurückgewiesenen) und veranstaltete in der Folge den Salon des Indépendants. 5000 Exponate von 400 Künstler belegen den Andrang zu derartigen Gelegenheiten. Aus den Kreisen der Indépendants wurde die Idee der Juryfreien Ausstellung geboren, die jedem Künstler unjuriert, gegen eine eher unerhebliche Gebühr Zugang zu Ausstellungen gewährte. Eine solche Vereinigung gab es auch in New York. Die Society of Independent Artists wurde 1916/17  gegründet. Marcel Duchamp war  einer der Mitbegründer. Nach dem Vorbild der französischen "Société des Indépendants "sollten für die geplanten Ausstellungen keine Zensur und keine Vorauswahl durch eine Jury stattfinden, so daß jeder, <<der die Gebühr bezahlte>>, auch hätte ausstellen können"(Mann Herbert, S. 21).
  • Galerien

  • Gegen Ende des 19. Jh nahm der Kunsthandel in einigen europäischen Metropolen und in den USA einen erheblichen Aufschwung. Händler kauften den Künstlern ihre Werke ab oder nahmen sie in Kommission und trieben damit Handel. 1876 fand die zweite Gruppenausstellung der Impressionisten bei dem Kunsthändler Durand-Ruel statt. Kunsthändler und ihre Räumlichkeiten, Galerien, spielen seither für die Realisierung eines Werks als Kunst eine zunehmende Rolle. Sie vermitteln zwischen Künstler und Käufer, Künstler und Sammler, Künstler und Museum.
  • Privatsammlungen

  • Bürgerliche Privatsammlungen entstanden immer dort, wo eine Großbürgerliche Schicht von Kaufleuten, Industriellen oder Bankern ihr Kapital in Sammlungen anlegten und es damit den Königen und Fürsten nachmachten. Die französische Revolution und nachfolgende Säkularisierung vieler Klöster, Abteien, Kirchen bischöflicher Residenzen erlebte einen ungeheueren Werteverfall christlichen Bildgutes. Der Grundstock der Alten Pinakothek wurde von den Gebrüdern Boisserée in Köln sozusagen 'von der Straße' aufgelesen und später an König Ludwig verkauft. 'Altdeutsche Kunst', also religiöse Werke der Romanik und Gotik waren plötzlich heimatlos geworden, wurden im Schutt der Kirchen und Klöster begraben, zerstört, verscherbelt, entsprachen auch nicht mehr dem Geschmack der Zeit.

Literatur: 
Eine Seite im KUSEM ist Duchamps Fountain gewidmet 
 

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