Arbeiten nach Picasso
oder
"Wie nähere ich mich Picasso?"

Analytischer und Synthetischer Kubismus an zwei Unterrichtsbeispielen

von Reinhard von Tümpling

 

   
Vorbemerkungen
   Vorlage Instrumente  
Schnittbilder 2001/2002  
Puzzle-Bilder 2002/2003 Zu Pablo Picasso

   zerschnittene Entwürfe

Biografie
Die fertigen Unterrichtsergebnisse  
Nachgedanken

 

 

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Das Thema ist im bayerischen Hauptschullehrplan unter Lz 9.1 verzeichnet; die Schüler sollen frei komponieren mit Farbklängen und abstrakten Formen und sich zum Beispiel anregen lassen durch Werkbetrachtungen kubistischer Stilleben von Picasso, Gris und Braque.

Der Lehrplanentwurf 2002 für das bayerische Gymnasium verzeichnet Picasso unter Lz. 10.1.
Sie sollen experimentell interessante Lösungen erproben zwischen Ordnung und Komplexität erproben, formal reduzieren und die bildnerischen Elementen ohne Gegenstandsbezug neu kennen lernen.
Die Schüler sollen malen, collagieren als auch Entwicklungsreihen und Werke abstrahierender, abstrakter und konkreter Kunst (z. B. Picasso, Jawlensky, Kandinsky und Mondrian) kennen.


Unter "google.de" erscheinen im deutschsprachigen Netz zum Stichwort "Picasso" insgesamt 81.400 Einträge, die Bildersuchfunktion von google verzeichnet zum Stichwort Picasso 36.800 Einträge; unter "kunstunterricht.de" sind es immerhin noch 30 Treffer an qualitativer Vorauswahl. Ich beschränke mich auf die folgenden Adressen:

http://www.phil.uni-erlangen.de/~p2gerlw/ressourc/malkun.html: man muss sich durchklicken, reicher Fundus
http://www.tamu.edu/mocl/picasso/tour/t02.html beste Adresse, kleine Bilder, aber komplette Übersicht, zeitlich geordnet
http://www.ricks.edu - /Ricks/Employee/DavisR/Art/ dichte und gute Bilder,
http://www.cosmopolis.ch/cosmo17/picasso.htm
http://www.zum.de/Faecher/Materialien/ludwig/wagner/virtual_restoration/german/Htmls/index.html


In der Kürze der im Unterricht zur Verfügung stehenden Zeit seien die zwei Verfahren des Lehrbuches unmittelbar angeboten: brechen, schneiden, collagieren, neu montieren, Zusammenfügen von Bruchstücken.

Benutzte Literatur:
"kunst und wir", Wolf-Verlag, ISBN: 3-523-26892-3, ab Seite 30. Das Buch schildert wenig den Werdegang des realen Menschen, hält sich nicht mit seiner blauen und rosafarbenen künstlerischen Periode auf, sondern bietet gleich Picassos Rezept und Verfahren in vereinfachend praktikabler Form an.


Es hieß in meinem letztjährigen Unterricht 2001/2002 nur:
"Schneide die Instrumente aus, schneide sie längs und quer und setze die Bruchstücke neu zusammen!"

Ich habe drei Abbildungen von Musikinstrumenten aus einer ClipArt-CD-ROM genommen und maximal auf DIN A4 ausgedruckt.

Die Ausgangsformen als Tischvorlage am Schüler

(Anmerkung: es ist nicht unbedingt ein Gewinn, die in Farbe vorliegenden Dokumente ins Schwarz-Weiße zu konvertieren; auch bei mir lagen die Dokumente nur als sehr hart kopierte Blätter vor.)

Bild: Musik1.jpg ein Saxophon
 
Bild: Musik2.jpg eine Geige
Bild: Musik3.jpg eine Trompete

 

Die Schüler schnitten die Teile aus.

Nach etlichen Versuchen des Bewegens und Drehens, Legens, Montierens, entstanden dann Umriss-Bleistiftzeichnungen. Gesamteindrücke wie viel-wenig, Verdichtung-Streuung, gerade-schräg und Hell-Dunkel entstanden mehr durch Zufall und waren als Einzelproblematik auch nicht gezielt unterrichtet.

Die Bleistiftzeichnungen wurden im Durchlichtverfahren gegen die Zimmerfenster neu nachgezeichnet und schattiert. Auch nachträglich konnte so über eine Hell-Dunkel-Schattierung noch Einfluss genommen werden auf den bildnerischen Eindruck.

Hier die Gesamtergebnisse:

 

Musik_1.jpg

Musik_2.jpg
 
Musik_3.jpg
 
Musik_4.jpg
 

 

Im Schuljahr 2002/2003 ging ich gering geändert auch so vor. Ich teilte Puzzle-Bilder von Picassos Arbeiten aus, ließ sie zusammensetzen und die DIN A4 großen Blätter nachskizzieren.

Ergebnisse des Zwischenschrittes:

 

Bild: metho_1.jpg

Bild: metho_2.jpg

Ich unterließ aber eine direkte Tischvorlage und sagte den Schülern, selbst 2 Musikinstrumente und einen Stuhl z.B. mit Korbgeflecht skizzenhaft zu zeichnen. In der Einführungsphase machte ich das Verfahren selbst vor. Diese Skizzen waren ebenso zu zerschneiden und neu zu legen.

Danach bekamen die Schüler das aus dem Netz erhältliche Blatt, in dem die fortschreitende Abstraktion vom abgebildeten Gegenstand hin zur flächigen Struktur erklärt wurde.   


Bild: metho_3.jpg
In der nächsten Stunde verteilte ich laminierte Kopien der beteiligten Künstlernamen "Juan Gris", "Georges Braque" und "Pablo Picasso" zum besseren Einprägen auf dem Boden, ließ die Schüler zum Kreis zusammenkommen und legte die Bildkopien hinzu

Bild: metho_4.jpg

In der Folge mussten die Schüler dann die selbst gefundenen Teile skizzieren, nachmalen und die Leerräume farblich stimmig ausmalen.

 

 

 

Nur zur Dokumentation des Schrittes "zerschnittene Entwürfe und Ergebnisse" füge ich die folgenden Blätter ein.

 

 

Bild: metho_5.jpg zeigt nur die einzelne Schnittvorlage
   

Bild: metho_6.jpg

Bild: metho_7.jpg


Bild: metho_8.jpg zeigt Schnittvorlagen und Ergebnisse, jeweils beides zusammen gelegt

 

 

 

Die fertigen Unterrichtsergebnisse:


Bild: ergeb_1.jpg

 


Bild: ergeb_2.jpg

 


Bild: ergeb_3.jpg

 


Bild: ergeb_4.jpg

 


Bild: ergeb_5.jpg

 


Bild: ergeb_6.jpg

 

(Anmerkung: der folgende Text ist gekürzt und geändert der CD "Kindlers Malereilexikon", ISBN 3-89853-122-8 entnommen.)

Picasso, Pablo Ruiz Picasso * 25.10.1881 in Malaga, gest. 8.4.1973 in Mougins

Picassos radikalste Neuerungen liegen weit über ein halbes Jahrhundert zurück; aber immer noch verdankt ihm die moderne Kunst fast alle bedeutenden Ereignisse. Wie die meisten großen Maler unserer Zeit erneuerte sich auch Picasso ständig mit gleichsam ungeheurer Energie.
Seine Neuentdeckungen sind gewaltig und er fand von der Antike bis zum Impressionismus Anregungen. Für Picasso ist Farbe die Verkörperung spontaner Reaktionen, die sich auf die gesamte Umwelt beziehen. Die Unmittelbarkeit des Ausdruckes erschwert eine zureichende Klassifizierung der Gemälde Picassos.

Sein Stil kann mehrere Jahre gleichmäßig dahinfließen und plötzlich von Arbeiten unterbrochen werden, die in keinerlei Beziehung zu den voran gegangenen Werken stehen. Genauso schnell wechselt er gelegentlich das Mittel und geht von der Malerei zur Skulptur, zur Lithographie oder Keramik über.

Picassos Stilbreite erstreckt sich vom neoklassizistischen Bild "Sitzender Pierrot" bis zum synthetischen Kubismus in Gitarre - beide Bilder entstanden 1918.

Zu den frühesten Werken Picassos gehört Mann mit Mütze von 1895: Die sichere Erfassung des Wesentlichen und die technische Fertigkeit verraten bereits sein eindrucksvolles Talent. Picassos Interesse für die Kunst wurde durch seinen Vater José Ruiz geweckt, der Professor an der Kunstakademie in Barcelona war.

In Barcelona zählte Picasso zu den Stammgästen des Café »Els 4 Gats«, das einen Treffpunkt für junge Intellektuelle bildete. Die Begeisterungsfähigkeit dieser Gruppe scheint ziemlich umfassend gewesen zu sein, wenn auch in einem eher kleinstädtischen Sinne. Während dieser Epoche, die sich ungefähr von 1897 bis 1900 erstreckte, zeichnete Picasso unermüdlich; bis 1898 pflegte er mit den Familiennamen seines Vaters José Ruiz und seiner Mutter Maria Picasso zu signieren; es ist aufschlußreich, daß er ab 1901 nur noch mit Picasso zeichnete.
Offensichtlich war er damals von Honoré Daumier und Henri de Toulouse-Lautrec beeindruckt. Toulouse-Lautrecs Einfluß reichte sogar bis 1902. Heute läßt sich eine Fin-de-siècle-Stimmung hinter fast allen Werken Picassos bis zum Jahre 1906 erkennen. Eine betonte Linearität und leise Melancholie kennzeichnen seine Bilder der »Blauen Periode«, die von 1901 bis 1904 dauerte; damals herrschten in seinen Bildern in zunehmendem Maße blaue Farbtöne vor. Auf vielen Gemälden sind Menschen dargestellt; in der Themenwahl bevorzugte er arme Frauen, blinde Bettler und süchtige Absinthtrinker.

Sie erscheinen wie eingehüllt in eine Wolke der Verzweiflung, Abhängigkeit und Ablehnung, was durch die Einfarbigkeit und Isolierung der Figur, die vor einem unbestimmten Hintergrund steht, betont wird.

1904 zog Picasso nach Paris. Dort begann als nächste Stilstufe seine »Rosa Periode«. Die Seiltänzerfamilie von 1905 bildete den Anfang der »Zirkus- Serie«.

Zwischen den einzelnen Figuren scheint kein gefühlsmäßiger Kontakt zu bestehen; sie existieren formal im leeren Raum; jede Gestalt ist im psychologischen Sinne allein, sinnend am anderen vorbei sehend, von Trauer betroffen, was vor allem durch den Harlekin versinnbildlicht wird.

In den Jahren 1904 bis 1906 konnte Picasso seinen Formenfundus sehr erweitern. Er wohnte in einem alten Gebäude auf dem Montmartre, das durch Mieter wie die Maler Kees van Dongen und Juan Gris oder die Dichter André Salmon und Pierre Reverdy weltberühmt wurde. Diese Künstler gaben Picasso Antrieb und Aufmunterung.

Nur wenige seiner Freunde konnten ihre Arbeiten verkaufen; doch das bohemienhafte Leben war überraschend produktiv. Zu Picassos frühen Freunden zählte Guillaume Apollinaire, der bald einer seiner eifrigsten Anhänger werden sollte. Picasso studierte auch sorgfältig Originalwerke im Louvre. Besonders faszinierte ihn die antike griechische Plastik; Anklänge daran finden sich in Gemälden, die Ende 1905 oder Anfang 1906 entstanden, wie beispielsweise La Toilette.

1907 begegnet Picasso der alten iberischen Skulptur mit gefühlsbetonten und formkräftigen Qualitäten. Ebenso fand damals eine große Gedächtnisausstellung zu Ehren des provencalischen Meisters Cezanne statt.

Das Selbstbildnis von 1906 leitete jene Entwicklung zur stilisierten Unbeweglichkeit auf, die den Künstler nun offenbar fesselte und welche die gesamte Auffassung von Malerei in andere Bahnen lenkte.

Die Darstellung dieser neuentdeckten Ästhetik begründete den im Frühjahr 1907 den Kubismus mit dem großformatigen Gemälde "Mädchen von Avignon". Die Gesamtkomposition scheint Cézannes späten Versionen der »Badenden« entlehnt zu sein. Der entscheidende Einfluß beruhte darauf, daß hier Gegenstände auf winkelige Flächen reduziert werden.

Während des Jahres 1907 wurde Picassos Bildphantasie vor allem von primitiver afrikanischer Plastik angeregt, an der er die gefühlsstarke Ausdruckskraft und willkürliche Körpergestaltung bewunderte.
Der Kubismus wäre ohne die primitive Plastik und die Kunst Cézannes nicht entstanden.

Das Gemälde "Mädchen von Avignon" besitzt eine zweifache Bedeutung: Erstens kündigte es den Kubismus an und bewirkte damit den Bruch zwischen der Kunst des 19. und des 20. Jahrhunderts; zweitens stellte es einen entscheidenden Fortschritt in Picassos Entwicklung dar.

Im Sommer 1909 weilte Picasso in Horta de S. Juan in der Provinz Tarragona, wo er die Versuche der vergangenen zwei Jahre auswertete. Seine Gemälde von 1909 bis 1912 begründeten jene Richtung des Kubismus, die allgemein als »analytisch« bezeichnet wird.

In dem Bildnis Daniel-Henry Kahnweiler erreicht Picasso 1910 seine klassische Phase: Das ganze Bildfeld ist in kleine Flächen aufgeteilt, welche die Figur und den Hintergrund überziehen, so daß eine geometrische Einheit entsteht; winzige Bruchstücke sichtbarer Realität wie Schnurrbart und Hände oder andere Einzelheiten blieben erhalten, so daß der Kontakt mit der Wirklichkeit nicht völlig unterbrochen ist.

Picasso fügte zwischen 1912 und 1914 greifbare Dinge in seine Werke ein. Die wahre Entwicklung verlief folgerichtig zur Konstruktion der echten Collage, die als Vorläuferin des synthetischen Kubismus zu betrachten ist.

Durch die Collage drang das eine zusätzliche Ausdrucksmöglichkeit in die Malerei ein. Sie beeinflußte die russischen Konstruktivisten und nahm viele Einfälle von Künstlern der 60er Jahre vorweg.

Ein weiteres einflußreiches Bild ist die Frau im Lehnstuhl von 1913, dessen phantastische Darstellung später sehr stark auf die Surrealisten einwirkte. 1914 verwendete Picasso wieder eine reichere Farbgebung in seinen Gemälden; er malte in pointillistischer Weise, wobei er mit Vorliebe gewisse Einzelheiten wie beispielsweise Vorhänge oder Tapeten betonte. Die rasche Entwicklung der Malerei zwischen 1910 und 1914 legte Picassos künstlerische Laufbahn bereits im wesentlichen fest. 1915 schuf er bezeichnenderweise in der Art Ingres' eine Reihe von Zeichnungen, die wegen ihres außergewöhnlichen Realismus besondere Aufmerksamkeit verdienen. Von nun an malte Picasso in Stilweisen, die mitunter erheblich voneinander abwichen, aber zeitgleich stattfanden.

1918 hatte Picasso noch verschiedene Einflüsse aufgenommen, die er seinem Stil stets anzugleichen wußte, weshalb man sie eher als Parallelen bezeichnen könnte. Die Arbeiten aus den Jahren 1920-24 beweisen des Künstlers Neigung zu einem erneuerten Neoklassizismus im Einklang mit einer allgemeinen künstlerischen Richtung und als »Rückruf zur Ordnung«. Diesmal allerdings reichte die Empfindung tiefer als 1905: Die monumentalen Figuren nehmen kaum Rücksicht auf die Ausmaße der Leinwand; nackt oder in antikische Gewänder gehüllt heben sie sich wie eine Statue gegen einen einfachen Hintergrund ab.


Eine besondere Feierlichkeit haben auch die Akte, die allerdings verstört wirken, in dem Gemälde "Drei badende Frauen" von 1920, das fälschlich 1923 datiert wurde: Die beiden Gestalten im Vordergrund sind grob überdehnt, diese Dehnung wird übertrieben in der laufenden Figur fortgesetzt, deren Kopf auf die Größe ihrer Zehen verkleinert ist.
Alfred H. Barr bemerkte dazu: »Der Fuß ist noch am Strand, aber der Kopf bereits 100 yards im Meer, so daß die jähe Verkürzung viel mehr das Ergebnis eines Bewegungsablaufs in der Zeit ist als der statischen Verzerrung der Kameralinse.«
Dieses Werk ist eine Vorahnung jener Arbeiten, die in den Jahren 1925-35 vorherrschten und auch danach immer wiederkehrten.


Doch vorerst entwickelte Picasso den synthetischen Kubismus - nunmehr üppiger, farbenfreudiger und lustvoller. Das Bild "Drei Tänzerinnen" von 1925 zeigt nur geringe kubistische Wesensmerkmale; sie weisen aber Verzerrungen besonders der linken Tänzerin auf.

Dieses Werk gehört gleichsam in die Jahresberichte des Surrealismus, mit dem Picasso in Verbindung stand. Picasso selbst nahm aber einen unorthodoxen Standpunkt ein.

Die Verzerrungen, die 1925durch die "Drei Tänzerinnen" eingeleitet wurden, spielen auch später eine wichtige Rolle. Aber nun gestaltete er das Bild, ohne die Fläche des Gegenstandes zu unterbrechen.

Um die Figur in ihrer bewegten Vielfalt zu erfassen, wurde sie oft modelliert. Dabei versetzte er beispielsweise ein Auge seitwärts in die Nähe des Ohres, während die Glieder dem Körper in unabhängiger Weise folgen, wodurch das Bild unruhig wirkt. Auch mit dem Prinzip der Umgestaltung geriet er in die Nähe der Surrealisten. Viele Darstellungen Picassos, die zwischen 1927 und 1930 entstanden, erwecken so den Eindruck von Plastik.

1930 schuf er in neoklassizistischer Manier eine Serie von 30 Radierungen zu Ovids »Metamorphosen«;

Bei allen diesen Werken, wie etwa der "Sitzenden Badenden" von 1930, werden die zerstörerischen Umweltgewalten erforscht. Während der 30er Jahre verloren die heftig verzerrten Gestalten etwas ihren Schrecken und wirken gelassener. Das Verfahren, die Verzerrung als lyrisches Element zu verwenden, überdauerte jedoch mehrere 1932 geschaffene Gemälde des Motivs "Schlafende Frau" nicht: Das Thema steckt voll natürlicher Ungezwungenheit; Picasso benutzte weiche Formen und leuchtend klare Farben.

Damals schuf Picasso eine Reihe von Skulpturen, darunter mehrere Köpfe, die in einer gewissen Beziehung zu den Aktdarstellungen des Jahres 1932 stehen und zugleich an Matisses Plastiken erinnern.

Zu den besonderen Radierungen Picassos gehört die 495×690 mm. große Minotauromachie von 1935, seitdem stellt der Minotauros eine zentrale Figur in Picassos Zeichensprache dar.

Im Januar 1937 erhielt Picasso den Auftrag, ein großes Gemälde für den Spanischen Pavillon der Pariser Weltausstellung zu malen; er begann seine Arbeit am 1. Mai, zwei Tage nach der Zerstörung Guernicas durch deutsche Bomber. Dieses Bild war eine weitere Anklage gegen den Diktator Franco, aber noch mehr ein qualvoller Aufschrei gegen die Brutalität und Bestialität des Krieges. Hier äußerte Picasso gleichsam seine Vorahnung der Ereignisse, die nur einige Jahre später eintreten sollten.

1936 war Picasso der Malerin und Fotografin Dora Maar begegnet, die seine Lebensgefährtin wurde. Sie fotografierte jede der übereinanderliegenden Fassungen Guernicas und übte einen entscheidenden Einfluß auf Picassos künstlerische Tätigkeit aus. Für zahlreiche Gemälde saß sie ihm Modell. 1938 entwickelte Picasso einen Stil, der allgemein als »Flechtwerk« bezeichnet wird: Die Darstellung sieht aus, als sei sie aus Korbgeflecht zusammengesetzt.

Picasso fand seine eigene Lösung des alten Problems der Porträtdarstellung: Er zeigt beispielsweise einen Kopf von hinten und dreht ihn gleichzeitig so weit, daß die Gesichtszüge im Vollprofil oder Halbprofil erscheinen, wobei die Haare oft eine Trennung zwischen den beiden Darstellungen desselben Kopfes bilden. Die grauenerregenden Ereignisse des Zweiten Weltkrieges schlugen sich in Picassos Kunst auf verschiedene Weise nieder.

1940 kehrte der Künstler nach Paris zurück, wo er während des ganzen Krieges blieb. In diesen konfliktreichen Jahren schuf er nur wenige Gemälde, und er pflegte sich in einer schwer verständlichen Form zu äußern. Er wählte die Natur oder ein anderes Vorbild wie beispielsweise das Werk eines Alten Meisters.

1944 trat Picasso der Kommunistischen Partei Frankreichs bei; als er später eine Erklärung über seine Stellung als Künstler und Parteimitglied abgeben mußte, entstand eine gewisse Verwirrung - teils bei den Kommunisten, für die er immer noch ein »bourgeois« war, was abschätzig so viel wie Formalist bedeutet, und teils bei den Verfechtern der modernen Kunst, die alle Argumente des Kommunismus als Äußerungen einer autoritativen Macht verstanden.

Hierzu erklärte Picasso 1945: "Was ist in deinen Augen ein Künstler? Ein Narr, der nur Augen hat, wenn er Maler ist, oder nur Ohren, wenn er Musiker ist...? Im Gegenteil. Er ist gleichzeitig ein politisches Wesen, stets aufnahmebereit für bewegende, brennende oder glückliche Ereignisse, die er in jeder Weise erwidert.
Wie ist es möglich, für andere Menschen kein Interesse zu zeigen und sich in einen elfenbeinernen Turm vor dem Leben zu flüchten, das sie dir so reichlich bescheren? Nein, Malerei ist nicht dazu da, um Appartements zu schmücken. Sie ist eine Waffe zu Angriff und Verteidigung gegen den Feind."

Gemälde wie Massaker von Korea aus dem Jahre 1951 oder Krieg und Frieden von 1952 erreichten nicht mehr die Größe von Guernica.

Picasso fuhr weiterhin fort, Formenerfindungen zu machen, um jeden möglichen Aspekt der Realität auszudrücken.

Zu solchen Neuerungen zählt die »Nachbildung« klassischer Werke, wie sie etwa das Selbstbildnis Porträt eines Malers - nach El Greco von 1950 prägt, das eine Vorstellung von Picassos Achtung vor den Gemälden großer Meister der Vergangenheit vermittelt. Er parodierte den ursprünglichen Gegenstand und gestaltete ihn in verschiedener Hinsicht um.

Ende 1954 beschäftigte er sich mit Delacroix' »Frauen von Algier«. Von diesem Thema schuf er 15 Variationen. Die endgültige Fassung mit dem Datum 14. Februar 1955 ist ein persönliches und dynamisches Werk, worin er Delacroix nur in Gedanken Respekt zollte. 1957 schuf Picasso 58 Variationen nach Velazquez' »Las Meninas«: Sie erstrecken sich von kleinen Studien des Kopfes der Infantin bis zur ganzfigurigen Darstellung. Diese Serie zeigt ihn als entspannten Künstler; das Formen-Experiment spielt hier nur eine untergeordnete Rolle.

Jahrzehntelang leistete er ein schier unglaubliches Pensum an Arbeit, wodurch das allgemeine ästhetische Klima verwandelt wurde. Picasso war vor allem Maler, aber auch gelegentlich Bildhauer. Die Anzahl seiner Arbeiten auf diesem Gebiet ist größer als allgemein angenommen.

Neben von Malerei und Plastik vollbrachte er auch in den Künsten wie Radierung, Kupferstich, Lithographie oder Linolschnitt und in der Keramik hervorragende Leistungen.

Seit 1947 schuf Picasso in der kleinen Stadt Vallauris in der Provence mit dem Töpfer Georges Ramié und dessen Frau irdene Töpfe und Teller, die er mit farbigen Lasuren überzog. Doch war er nicht zufrieden mit der Herstellung von Gebrauchsgegenständen, sondern benutzte das Material für phantastische Eigenschöpfungen: Krüge in Form von Tauben, Bullen, Eulen, Raubvögeln, Faunen. Viele dieser Werke befinden sich heute mit Gemälden, Zeichnungen und Lithographien in Antibes im Musée Grimaldi.

Letztlich zwang Picasso der Welt eine neue Festsetzung der ästhetischen Werte auf.


1881
Pablo Ruiz Picasso wird am 25, Oktober in Málaga als erstes Kind des Don Jos‚ Ruiz Blasco (1838 - 1913) und seiner Frau Dona Maria Picasso y Lopez (l855 - 1939) geboren. Sein Vater stammt aus dem Norden und ist Maler und Zeichenlehrer an der örtlichen Kunstgewerbeschule San Telmo, die Mutter ist Andalusierin.

1884
Geburt der ersten Schwester Lola (Dolorès)

1887
Geburt der zweiten Schwester Concepión (Conchita).

1888 / 89
Beginnt unter Anleitung des Vaters zu malen.

1891
Übersiedlung nach La Coruna im Norden, wo der Vater als Zeichenlehrer arbeitet. Tod der Schwester Conchita. Eintritt ins Gymnasium. Hilft dem Vater beim Malen.

1892
Tritt in die Kunstschule von La Coruna ein. Unterricht beim Vater.

1894
Schreibt und illustriert Tagebücher. Der Vater erkennt die außergewöhnliche Begabung Pablos, übergibt ihm Pinsel und Palette und will selbst nie mehr malen.

1895
Umzug nach Barcelona. Eintritt in die Kunstakademie »La Lonja«, wo der Vater unterrichtet, überspringt die ersten Klassen und besteht Prüfung für die Oberstufe mit Glanz.

1896
Erstes Atelier in Barcelona Erstes großes Ölbild, »Die Erstkommunion«, wird ausgestellt.

1897
»Wissenschaft und Nächstenliebe« (Barcelona Museo Picasso), das zweite große Ölbild, wird auf der nationalen Kunstausstellung in Madrid lobend erwähnt und gewinnt in Málaga eine Goldmedaille. Brüder des Vaters schicken Geld, damit Pablo in Madrid studieren kann. Besteht Aufnahmeprüfung für Oberkurs an der Königlichen Akademie San Fernando in Madrid, die er im Winter wieder verläßt.

1898
Erkrankt an Scharlach und kehrt nach Barcelona zurück. Längerer Erholungsaufenthalt im Dorf Horta de Ebro bei seinem Freund Pallarés, Landschaftsstudien.

1899
Wieder in Barcelona. Verkehrt unter Künstlern und lntellektuellen im Kabarettcafé "Die vier Katzen" in Paris, lernt dort Maler kennen, den Bildhauer Hugué, die Brüder de Soto, und den Dichter Sabartés, (sein späterer Sekretär und lebenslanger Freund). Bekanntschaft mit dem Werk Toulouse Lautrecs, Illustrationen für Zeitungen; erste Radierung.

1900
Atelier mit Casagemas in Barcelona Ausstellung von ca. 150 Zeichnungen im Kabarettcafe. Im Oktober in Paris Atelier am Montmartre. Sieht Werke von Cézanne, Toulouse Lautrec, Degas, Bonnard u. a. Kunsthändler Manñach bietet 150 Francs im Monat im Tausch gegen Bilder. Berthe Weill kauft drei Stierkampfpastelle. Malt »Le Moulin de la Galette«, das erste Pariser Bild. Reist im Dezember mit Casagemas nach Barcelona und Málaga.

1901
Casagemas begeht in Paris Selbstmord. Picasso reist nach Madrid; dort Mitherausgeber von »Arte Joven«. Im Mai zweite Parisreise. Atelier am Boulevard de Clichy 130. Erste Pariser Ausstellung bei Vollard; verkauft 15 Bilder noch vor der Eröffnung. Signiert ab jetzt nur noch mit »Picasso«, dem Namen seiner Mutter. Motive aus dem Pariser Leben "Die Absinthtrinkerin", jetzt häufig Armut, Alter und Einsamkeit als Thema. Palette fast einfarbig blaugrün; Beginn der Blauen Periode.

1902
Ende des Vertrags mit Manach. Rückkehr nach Barcelona. Im April Pariser Ausstellung bei Berthe Weill. Weiterentwicklung der blauen Monochromie, im Oktober dritte Parisreise. Wohnt bei Dichter Max Jacob. Fast nur Zeichnungen, da kein Geld für Leinwände. Weill zeigt die »blauen« Bilder.

1903
Im Januar Rückkehr nach Barcelona. Malt in 14 Monaten über fünfzig Bilder darunter "La Vie". Blautöne stellen das körperliche Elend von Alter und Gebrechlichkeit dar.

1904
Endgültige Übersiedlung nach Paris. Atelier im »Bateaux Lavoir« in der Rue Ravignan 13 (bis 1909). Lernt Fernande Olivier kennen, die sieben Jahre seine Geliebte ist. Radiert »Das bescheidene Mahl«. Besucht häufig den Zirkus (Anregung zu Zirkus und Gauklermotiven). Ende der Blauen Periode.

1905
Lernt Apollinaire und die Geschwister Leo und Gertrude Stein kennen. Malt häufig Zirkusthemen, darunter »Die Gauklerfamilie«. Beginn der Rosa Periode. Im Sommer Hollandreise nach Schoorl. Erste Skulpturen. Radierungsfolge »Die Seiltänzer«.

1906
Sieht beeindruckende Ausstellung iberischer Skulpturen im Louvre. Lernt Matisse, Derain und den Kunsthändler Kahnweiler kennen. Vollard kauft die meisten »rosa« Bilder und gestattet Picasso erstmals ein sorgenfreies Leben. Reist mit Fernande zu den Eltern nach Barcelona; anschließend weiter nach Gosol im Norden Kataloniens. Malt dort »La Toilette«. Einflüsse der iberischen Skulptur: Bildnisse "Gertrude Stein, "Selbstbildnis mit Palette".

1907
Malt »Selbstbildnis«. Bereitet in zahlreichen Studien und Variationen das große Gemälde "Les Demoiselles d'Avignon" vor, das er im Juli beendet: das erste »kubistische« Bild, noch vor der »Erfindung« des Kubismus. Sieht afrikanische Skulpturen im Völkerkundemuseum. Besucht zwei Cézanne Rückschauen. Lernt Braque durch Apollinaire kennen. Kahnweiler wird sein einziger Händler.

1908
Malt zahlreiche »afrikanische« Akte unter Einfluß der Negerskulptur. Im Sommer mit Fernande in La Rue des Bois nördlich von Paris. Dort Figuren und Landschaften. Braque stellt bei Kahnweiler die ersten kubistischen Bilder aus L´ Estaque aus. Im November großes Bankett zu Ehren Henri Rousseaus, von dem er ein Bild erworben hat, in Picassos Atelier.

1909
Malt »Obstschale und Brot auf einem Tisch«. Beginn des »analytischen« Kubismus (Aufgabe der Zentralperspektive und Aufsplitterung der Form in facettenartige Gebilde). Im Mai Besuch bei Eltern und Freunden in Barcelona. Dort produktivste Periode seiner Karriere. Landschaften und Architekturen (»Das Reservoir, Horta de Elbro«) im analytischen Kubismus. Portraits von Fernande (»Frau mit Birnen«).
September Umzug an den Boulevard de Clichy 11 beim Place Pigalle; Braque als Nachbar. Skulptur von »Fernande«; Stilleben. Erste Ausstellung in Deutschland (München, Galerie Thannhauser).

1910
Beendet die berühmten kubistischen Portraits der Kunsthändler Vollard und Kahnweiler sowie des Kritikers Uhde. Sommer mit Fernande in Cadaqués bei Barcelona; Derain mit Frau kommen dazu.

1911
Erste Ausstellung in New York. Sommer in Céret (Pyrenäen) mit Fernande und Braque. Führt erstmals Druckbuchstaben in seine Kompositionen ein. Muß zwei iberische Skulpturen dem Louvre zurückgeben, die er unwissend vom Dieb gekauft hatte. Beziehung zu Fernande kriselt; knüpft Verbindung zu Eva Gouel, die er »Ma Jolie« nennt. Malt "Mann mit Mandoline".

1912
Erste Konstruktion aus Blech und Draht. Erste Collage (»Stilleben mit Rohrstuhl«, Paris, Musée Picasso) mit Wachstuch, das Rohrgeflecht imitieren soll. Reist mit Eva nach Céret, Avigno und Sorgues, wo sie Braque treffen. Erste »Papier collè«- Arbeiten (Klebebilder) Montagen aus Zeitungstiteln, Etikette und Werbeslogans mit Kohlezeichnung auf Papier. September Umzug vom Montmartre zum Montparnas, Boulevard Raspail 242. Vertrag mit Kahnweiler für drei Jahre.

1913
Frühjahr mit Evain Céret, sie treffen Braque und Derain. Tod des Vaters in Barcelona. Die »Papier collés« leiten zum »synthetischen« Kubismus über (große, flächige. »zeichenhafte« Formen; er kehrt krank nach Paris zurück. Umzug in die Rue Schoelcher 5.

1914
Die Gauklerfamilie« erzielt bei Versteigerung 11500 Francs. Juni mit Eva in Avignon; Treffen mit Braque und Derain. Malt »pointillistische« Bilder, Braque und Derain werden bei Kriegsausbruch eingezogen. Kahnweiler geht nach ltalien, seine Galerie wird beschlagnahmt. Picassos Bilder werden düster.

1915
Realistische Bleistiftportraits von Max Jacob und Vollard. Malt »Harlekin«.

1916
Lernt über Cocteau den russischen Impresario Diaghilew und den Komponisten Satie kennen. Projekt des Balletts »Parade« für das »Russische Ballett« mit Dekorationen Picassos. Umzug nach Montrouge, Rue Victor Hugo 22.

1917
Mit Cocteau nach Rom. Schließt sich Diaghilews Truppe an. Entwürfe für » "Parade". Lernt Strawinsky und die russische Tänzerin Olga Koklowa kennen. Besucht Neapel und Pompeji. Reist wegen Olga mit der Truppe nach Madrid und Barcelona. Olga bleibt bei ihm. November wieder in Montrouge, Malt »pointillistische« Bilder.

1918
Durch das Ballett Kontakte zur »großen« Gesellschaft; verändert seinen Lebensstil. Rosenberg wird sein neuer Händler. Heiratet Olga. Flitterwochen in Biarritz. Tod Apollinaires. Bezieht mit Olga zwei Stockwerke in der Rue La Boétie 23.

1919
Lernt Miró kennen und kauft ein Bild. Mit dem »Russischen Ballett« drei Monate in London. Entwürfe für »Le Tricorne«; Zeichnungen der Tänzer. Sommer mit Olga in Saint Raphael an der Riviera. Malt »Schlafende Bauern« und kubistische Stillleben.

1920
Entwürfe für Strawinsky Ballett »Pulcinella«. Rückkehr Kahnweilers aus dem Exil. Sommer mit Olga in Saint RaphaeI und Juan-les-Pins. Gouachen nach Motiven der Commedia dell´arte.

1921
Geburt seines Sohnes Paul, »Mutter und Kind« -Thema taucht wieder auf. Weitere Ballettentwürfe. Versteigerungen der Sammlungen Uhdes und Kahnweilers, von den Franzosen im Krieg beschlagnahmt. Sommer mit Olga in Fontainebleau. Malt »Drei Musikanten« und mehrere Kompositionen mit monumentalen Figuren.

1922
Sammler Doucet kauft für 25000 Francs die »Demoiselles d´Avignon«. Sommer mit Olga und Paul in Dirnard (Bretagne). Dort »Laufende Frauen am Strand« und Winter Vorhang für Cocteaus »Antigone«.

1923
Harlekin-Portraits im neoklassizistischen Stil. Sommer in Cap d´Antibes; seine Mutter Maria kommt zu Besuch. Malt »Panflöte« und Studien von Badenden. In Paris Portraits von Olga und Paul.

1924
Mehrere große Stilleben in dekorativ kubistischer Manier. Wieder Ballettdekorationen. Ferien mit Olga und Paul in Juan-les-Pins. Portraitiert »Paula als Harlekin«. Breton veröffentlicht »Manifeste du Surréalisme«.

1925
Frühjahr mit Olga und Paul bei Ballettgastspiel in Mornte Carlo. Malt »Der Tanz« (London, Tate Gallery), in dem sich erste Spannungen im Verhältnis zu Olga andeuten. Sommer in Juan-les-Pins. Dort »Atelier mit Gipskopf« mit Requisiten aus Pauls Puppentheater. November Teilnahme an erster Surrealistenausstellung.

1926
Serie von Assemblagen (Montagen vorgefundener Objekte wie Hemd, Scheuertuch, Nägel, Bindfaden) zum Thema Gitarre. Ferien in Juan-les-Pins und Antibes. Oktober Reise mit Olga nach Barcelona.

1927
Spricht auf der Straße die 17-jährige Marie-Thérèse Walter an, die kurz darauf seine Geliebte wird. Tod von Gris. Serie von Federzeichnungen badender Frauen mit aggressiver sexueller Thematik.

1928
Erste Skulptur nach 1914. Trifft Bildhauer Gonzalez. Sommer mit Olga und Paul in Dinard. Sieht heimlich Marie Thérèse. Kleine, farbstarke Gemälde mit zeichnenhaften Formen. Verschiedene Drahtkonstruktionen als Entwurf für Apollinaire-Denkmal.

1929
Arbeit mit Gonzalez an Skulpturen und Drahtkonstruktionen. Serie aggressiver Gemälde mit Frauenköpfen signalisiert Ehekrise, Sommer in Dinard.

1930
Metallskulptunen im Atelier von Gonzalez. Malt »Kreuzigung« (Paris. Musee Picasso). Kauft Schloß Boisgeloup bei Gisors nördlich von Paris. Ferien in Juan-les-Pins. 30 Radierungen zu Ovids »Metamorphosen«. Findet Wohnung für Marie Thérèse in der Rue La Boétie 44.

1931
Skulptur »Frauenkopf« aus Salatsieben. Richtet Bildhaueratelier in Boisgeloup ein. Serie großer Kopfskulpturen und Büsten. Ferien im Juan-les-Pins. Erscheinen von Radierungszyklen bei Skira und Vollard.

1932
Serie sitzender oder liegender blonder Frauen, für die Marie-Thérèse posiert. Große Retrospektive in Paris (236 Arbeiten) und Zürich. Christian Zervos gibt ersten Band des Werkverzeichnisses heraus (bis jetzt 34 erschienen).

1933
Radierungen zum Thema Atelier des Bildhauers für die spätere »Suite Vollard« sowie Zeichnungen zum »Minotaurus«. Thema Sommerferien in Cannes mit Olga und Paul. Anschließend Autofahrt nach Barcelona und Treffen mit alten Freunden. Versucht vergeblich Fernande OIiviers Memoirenbuch zu verhindern, aus Furcht vor Olga Eifersucht.

1934
Weitere Radierungen. Skulpturen in Boisgeloup. Spanienreise mit Olga und Paul zu Stierkämpfen (San Sebastián, Madrid. Toledo, Barcelona). Zahlreiche Arbeiten zum Thema Stierkampf in allen Techniken.

1935
Malt »Interieur mit zeichnendem Mädchen« von Mai bis Februar 1936 kein Bild mehr. Radiert »Minotauromachie« seinen bedeutendsten Zyklus.
Marie-Thérèse ist schwanger. Trennung von Olga und Paul: Scheidung wird wegen Vermögensverteilung verschoben. Picasso: "Die schlimmste Zeit meines Lebens". Am 5. Oktober Geburt von Maria de la Concepción, genannt Maya, Picassos zweitem Kind. Sabartés, Picassos Jugendfreund, wird sein Sekretär.

1936
Wanderausstellung seiner Bilder: Barcelona, Bilbao Madrid. Heimliche Reise mit Marie-Thérèse und Maya nach Juan-les-Pins. Arbeiten am Minotaurus Thema. 18. Juli Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs. Er greift Partei gegen Franco; Republikaner ernennen ihn als Dank zum Direktor des Prado. August in Mougins bei Cannes. Trifft Dora Maar, jugoslawische Fotographin. Überläßt Olga im Herbst Boisgeloup und zieht in Haus Vobtards. Marie-Thérèse folgt mit Maya.

1937
Radiert »Traum und Lüge Frandos«. Bezieht neues Atelier in Rue des Grands-Augustin 7. Malt dort nach Luftangriff der Deutschen auf Guernica (26. April) riesiges Wandgemälde für den spanischen Pavillon auf der Pariser Weltausstellung »Guernica«. Portraitiert Dora Maar im Sommer in Mougins. Besucht Paul Klee in Bern. Museum of Modern Art in New York kauft »Les Demoiselles d´Avignon« für 24000 Dollar.

1938
Malt mehrere Versionen von Maya mit Spielzeug. Lebensgroße Collage »Frau bei der Toilette« (Paris, Musée Picasso). Sommer in Mougins mit Dora. Im Winter schwerer Ischiasanfall.

1939
Picassos Mutter stirbt in Barcelona. Portraitiert am selben Tag Dora Maar und Marie-Thérèse in gleicher Pose Juli mit Dora und Sabartés in Antibes, Tod Volbards. Malt » Nächtlicher Fischfang in Antibes«, darauf Dora mit Fahrrad und Eis.
Bei Kriegsausbruch mit Dora und Sabartés nach Royan; dort auch Marie-Thérèse mit Maya. Bleibt, mit Unterbrechung, bis August 1940. Große Retrospektive in New York mit 344 Arbeiten, darunter »Guernica«.

1940
Pendelt zwischen Royan und Paris. Malt in Royan »Sich kämmende Frau« (New York, Sammlung Smith). Deutsche dringen in Belgien und Frankreich ein, besetzen im Juni Royam, Rückkehr nach Paris. Gibt Wohnung in Rue La Boétie auf und zieht ins Atelier Rue des Grands-Augustins. Verteilt Photos von »Guernica« an deutsche Offiziere (Frage: "Haben Sie das gemacht?" Picasso: "Nein, Sie.")

1941
Schreibt surrealistisches Stück »Wie man Wünsche am Schwanz packt«. Marie Thérèse zieht mit Maya zum Boulevard Henri lV; Picasso besucht sie an den Wochenenden. Darf Paris nicht verlassen, um in Boisgeloup zu arbeiten. Provisorisches Bildhaueratelier im Badezimmer.

1942
Malt »Stilleben mit Ochsenschädel« Vlaminck denunziert ihn in Zeitungsartikel. »Bildnis Dora Maar« in gestreifter Bluse (New York Sammlung Hahn).

1943
Assemblage »Stierschädel«, Skulpturen. Trifft junge Malerin Françoise Gilot; häufige Besuche im Atelier. Malt wieder.

1944
Verhaftung Max Jaobs und Tod im Konzentrationslager. Große Skulptur »Mann mit Schaf«. Lesung des Stücks »Wie man Wünsche am Schwanz packt«, mit Beteiligung von Abert Camus, Simone de Beauvoir, Jean-Paul Sartre, Raymond Queneau u a. Tritt nach Befreiung von Paris in Kommunistische Partei ein. Mit 74 Gemälden erstmals Teilnahme am »Salon d´Automne«; stößt auf heftige Kritik.

1945
Malt »Das Beinhaus«, Pendant zu »Guemica« Serie von Stilleben. Im Juli mit Dora Maar in Antilies. Mietet Zimmer für Françoise in der Nähe, die aber in die Bretagne fährt. Kauft für Dora ein Haus im Dorf Ménerbes und bezahlt mit einem Stilleben. Beginnt mit Lithographien im Pariser Atelier von Fernand Mourlot (bis 1949 entstehen 200 Arbeiten).

1946
Besucht in Nizza Matisse mit Françoise; sie wird seine Geliebte und zieht zu ihm. Malt und lithographiert Françoise. Im Juli mit ihr in Ménerbes; wohnen in Doras Haus. Françoise ist schwanger. Picasso darf im Museum von Antibe arbeiten und schenkt nach vier Monater zahlreiche Bilder dem Museum, das bald Musée Picasso heißt. Erster kurzer Besuch in Vallauris.

1947
Lithographiert in Mourlots Werkstatt. Schenkt zehn Bilder dem Pariser Musée National de Art Moderne. 15. Mai Françoise bringt Claude zur Welt, Picassos drittes Kind. Beginnt mit Keramiken in der Töpferei »Madoura« des Ehepaares Ramié. Bis 1948 entstehen ca. 2000 Arbeiten.

1948
Bezieht mit Françoise und Claude Villa La Galloise in Vallauris. Teilnahme am Friedenskongreß der Intelektuellen in Breslau; besucht Krakau und Auschwitz. Keramikausstellung in Paris. Portraits von Françoise.

1949
Lithographiert »Die Taube«, das Plakatmotiv für Weltfriedenskongreß in Paris. 19 April: Geburt von Paloma (nach Plakatmotiv benannt), Picassos viertes Kind. Mietet alte Parfümerie in Vallauris als Atelier und Lager für Keramiken. Bildhauerarbeiten.

1950
Malt »Frauen am Seineufer nach Courbet« (Basel, Kunstmuseum). Skulpturen »Die Ziege« und »Frau mit Kinderwagen« entstehen aus Abfallprodukten und werden in Bronze gegossen. Reist zum Weltfriedenskongreß nach Sheffield. Lenin erhält Friedenspreis. Wird Ehrenbürger von Vallauris.

1951
Malt »Massaker in Korea« als Protest gegen Invasion der Amerikaner. Gibt Wohnung in der Rue La Boétie auf und zieht in Rue Gay-Lussac 9. Keramiken in Vallauris. Skulptur »Pavian mit Jungem« Retrospektive in Tokio.

1952
Malt zwei große Wandbilder, » Der Krieg« und »Der Frieden«, für »Friedenstempel« in Vallauris. Verhältnis zu Françoise wird schlechter.

1953
Arbeitet in Vallauris. Große Ausstellung in Rom, Lyon, Mailand und Sao Paulo. Stalins Portrait zu dessen Tod führt zu Kontroverse mit Kommunistischer Partei. Reihe von Büsten und Köpfen nach Françoise. Fahrt mit Maya und Paul nach Perpignan. Trifft dort Jacqueline Roque. Françoise zieht mit Kindern in Rue Gay-Lussac.

1954
Trifft Sylvette David, ein junges Mädchen; Serie von Portraits. Bildnisse von Jacqueline. In Vallauris mit Francois und den Kindern sowie Jacqueline. Mit Maya und Paul in Perpignan. Trennung von Françoise. Jacqueline zieht zu ihm. Matisse stirbt (Picasso: "lm Grunde gibt es nur Matisse"). Beginnt mit Variationen über » Die Frauen von Algier« nach Delacroix.

1955
Olga Picasso stirbt in Cannes. Mit Jacqueline in der Provence größere Retrospektive in Paris (danach München, Köln, Hamburg). Clouzot dreht Film »le Mystère Picasso«. Kauft Villa »La Californie« in Cannes. Portraits von Jacu Jueline.

1956
Serie von Atelierbildern darunter "Das Atelier", "La Californie" in Cannes und »Jacqueline im Atelier» Große Bronzeskulptur »Die Badenden« nach Assemblagen in Holz. Feiert 75 Geburtstag mit den Töpfern in Vallaunis. Protestbrief an die KP wegen Einmarsch der Russen in Ungarn.

1957
Ausstellungen in New York, Chicago und Philadelphia. Arbeitet in »La Californie« an vierzig Variationen über »Las Meninas« von Velázquez. Erhält Auftrag für Wandgemälde im neuen UNESCO Gebäude in Paris.

1958
Beendet UNESCO Wandgemälde »Der Sturz des Ikarus«. Kauft Schloß Vauvenargues bei Aix-en-Provence; arbeitet dort zeitweise zwischen 1959 und 1961.

1959
Malt auf Schloß Vauvenargues. Beginnt mit Variationen über Manets »Frühstück im Grünen« Wendet sich Linolschnitt zu.

1960
Retrospektive in Londoner Tate Gallery mit 270 Werken. Entwürfe aus ausgeschnittener Pappe für großflächige Metallskulpturen.

1961
Heiratet Jacqueline Roque in Vallauris. Umzug in Villa Notre-Dame de-Vie bei Cannes. Feiert 80. Geburtstag in Vallauris. Arbeiten aus bemaltem und gefalztem Blech.

1962
Über siebzig Portraits von Jacqueline. Erhält abermals Lenin-Friedenspreis. Bühnenbild für Pariser Ballett. Viele Linolschnitte.

1963
Variationen über Jacquelines Portrait. Serie zum Thema »Maler und Modell«. Eröffnung Museo Picasso in Barcelona. Braque und Cocteau sterben.

1964
Françoise Gilots Memoiren »Leben mit Picasso« erscheinen und führen zum Bruch Picassos mit Claude und Paloma. Ausstellungen in Kanada und Japan Entwurf für riesige Metallskulptur nach » Frauenkopf« für Civic Center in Chicago (1967 aufgestellt)

1965
Gemäldeserie zum Thema »Maler und Modell«, Landschaftsbilder Magenoperation in Neuilly-sur Seine; letzte Reise nach Paris

1966
Zeichnet und malt wieder; ab Sommer auch Druckgraphik. Große Ausstellung zum Gesamtwerk in Grand Palais und Petit Palais in Paris (über 700 Arbeiten); viele Skulpturen aus Picassos Besitz.

1967
Lehnt Aufnahme in Ehrenlegion ab. Muß Atelier in Rue des Grands Augustins räumen. Ausstellungen in London und New York.

1968
Sabartés stirbt. Picasso schenkt Museum in Barcelona 58 Bilderserie »Las Meninas«. Macht 347 Radierungen in sieben Monaten.

1969
Zahlreiche Gemälde: Gesichter, Paare, Stillleben, Aktfiguren, Raucher.

1970
Schenkt alle Werke aus Familienbesitz in Spanien dem Museum in Barcelona (Jugendwerke aus Barcelona und La Coruna).

1971
Feiert 90. Geburtstag.

1972
Zeichnet Serie von Selbstbildnissen. Schenkt Museum of Modern Art in New York »Drahtkonstruktion« von 1928.

1973
Stirbt am 8. April in Mougins und wird am 10. April im Garten von Schloß Vauvenargues beerdigt.

 


Nachgedanken

Es ist sehr gut möglich, sich einem Werkausschnitt von Picasso mit den Mehrseitenansichten seiner Portraits zu nähern. Mit dem Gedanken des Zurückklappens von plastischen Gegenständen in die Ebene der flächigen Darstellung betrat Picasso keinesfalls bildnerisches Neuland- ungewöhnlich war nur Picassos Heftigkeit und unbefangene Freude im Anwenden. Besonders der Umkreis um Matisse und die Fauvisten betonten das Primat der Lokalfarbe und gelangten so zur rein flächigen Struktur- ein Prozess, den die Impressionisten mit der Abkehr von der Scheinräumlichkeit einleiteten. Zeitgleich benutzten diese die Fotografie als Hilfsmittel (vgl. Katalog "Orte des Impressionismus", Basel, Fondation Herzog 2003).
Zugleich aber klappte Picasso die Zeitebene mit ins Bild, unterschiedliche räumliche Augenblickswahrnehmungen werden auf ein feststehendes Bild zurückverwandelt. Dies Verfahren gibt es seit der Antike und Romanik durch den Bedeutungsmaßstab, nach außen fortgeführt mit den Mitteln des Films in der Schneide- und Montiertechnik bis hin zur Trickfilmanimation.


Bild: nachged1.jpg

Ich habe im Anschluss an dieses Picasso-Thema selbst nochmals mit meinen Mitteln gespielt, um die Nachvollziehbarkeit des Themas zu prüfen. Es erinnerte mich zuerst an ein Stillleben, vielleicht vergleichbar mit den bunt-schrillen Katalogseiten der Billigsortimenter.


Bild: nachged2.jpg zeigt eine zerrissene Bastelei nicht mehr wertfrei mit ästhetisch angeordneten Gegenständen, sondern mit beliebig austauschbaren Comic-Figuren.


Bild: nachged3.jpg zeigt eine andere Bastelei mit Comic-Figuren.

Mich persönlich ergriff darüber Entsetzen, weil es sofort mit dem Ereignis des eingestürzten World Trade Centers besetzt war; ein Ereignis, das durch die veröffentlichten stehenden Bilder dem kollektiven Gedächtnis der Menschheit zugehörig ist und das sofort zur wertenden Bildbetrachtung zwingt.

Künftig werden solche Bildgruppierungen und -inhalte nicht mehr möglich sein.


Bild: nachged4.gif zeigt Picassos Großgemälde Guernica.

Man mag "Guernica" zuerst nur nach ästhetischen Kriterien sehen, es dort belassen und siedelt es erst einige zeitliche Schritte weiter tiefer an. Als Bildbeschreibung von "Guernica" auf der realen Bedeutungsebene ist es die Schilderung einer Katastrophe, zugleich eine eindringlich mahnende überzeitliche politische Aussage.

 

Reinhard von Tümpling, 2003