Zentralperspektive und Fluchtpunkt
von Reinhard von Tümpling

 

 

Unter "google.de" erscheinen zum Suchwort Zentralperspektive in deutschen Einträgen 1750 Dateien, zum Stichwort "Fluchtpunktperspektive" 160 Einträge. Verwirrend sind die Begriffsüberschneidungen zur Bedeutungen wie z.B. "Ausblick, weitere Entwicklungsmöglichkeit, Neigung zu ...., im Hinblick auf..."

Sehenswerte neuere Netzeinträge:

http://san-pc.hrz.uni-siegen.de/schulen/ros/rosprojekt/perspektive/
ist eine methodisch richtige Auflistung der Perspektiven mit einem und mehreren Fluchtpunkten, Scanbilder von Freihandzeichnungen

http://www.kusem.de/konz/su8/fenstset.htm
ist ein unterrichtliches Beispiel für die Bearbeitung der Zentralperspektive, die Verblauung am Horizont durch die Luft ist mit Bildbeispielen gut erklärt http://www.kusem.de/lk/akad/akadset.htm
ist der akademische Abriss der Zentralperspektive
http://www.kusem.de/lk/impress/impset.htm
handelt vom Impressionismus für den, der Berührungspunkte und parallele Entwicklungen sucht

http://bg.ken.ch/perspektive/BSP1/perspektive.htm
der Kantonsschule Enge aus der Schweiz ist eine sehr gute, reichhaltige und anschauliche Schilderung der Mittel der Perspektive, plastisch bebildert und methodisch korrekt

http://www.unict.it/dipchi/05Didattica/Corsionline/Coloranti/03_ColorCostit/paint/lp-grids.html
engl., sehr gut und anschaulich bebildert, besonders zur Schattenbildung

http://www.ph-heidelberg.de/wp/mauve/dyngeo/zentral.htm
ist mit geometrisch klaren Beschreibungen von Punkten in der Zeichnung zu loben, eher zur Parallelverschiebung gedacht

http://www.rso.og.bw.schule.de/inhalt/galerie/pages/treppen/
ist eine unterrichtliche Schilderung von Treppenkonstruktionen, Perspektive mit drei Fluchtpunkten
http://artefax.de/kunsterziehung/perspektive.html
schildert drei Schülerarbeiten zur Zentralperspektive
http://www.dasan.de/dfu/dfu_kun/angebote/grafik/2fluchtp_4.htm
zeigt ein fertiges Schülerarbeitsblatt mit zwei Fluchtpunkten,
http://www.cpg-hamburg.de/kunst/meier/perspekt/PE.htm
ist ein anschauliches Unterrichtsbeispiel zur einfachen Zentralperspektive
http://www.dasan.de/dfu/dfu_kun/angebote/grafik/zentralp_1.htm
ist ein klares Arbeitsblatt zur Zentralperspektive mit der Festlegung von Bildebenen
http://www.dasan.de/dfu/dfu_kun/angebote/grafik/zentralp_2.htm
ist ein klares und einfaches Schüler-Arbeitsblatt zur Zentralperspektive, mit dem Hilfsmittel der Tiefenverkürzung von Linien

Schon die Antike kannte die Abbildung der Größe der einzelnen Gegenstände je nach ihrer Entfernung vom Beschauer und die reduzierte Verkürzung der Tiefenlinien.

Die Perspektive war genau genommen keine Erfindung der Renaissance. Die Antike kannte aber weder das perspektivisch einheitliche und nach einem einzigen Augenpunkt sich richtende Raumbild, noch war sie fähig oder bestrebt, die verschiedenen Objekte zwischen ihnen gleichmäßig darzustellen.

Erst seit der Renaissance geht die Malerei von der Annahme aus, daß der Raum, in dem sich die Dinge befinden, ein unendliches und gleichbleibendes Element ist und daß wir die Dinge in der Regel mit einem ruhigen und unbewegten Auge sehen.

Ihr Bildraum war, wie der des Mittelalters ein aus verschiedenen Teilen zusammengesetztes Gebilde und ein "Aggregatraum", kein einheitlicher"Systemraum". Das, was wir tatsächlich als Bild aufnehmen, ist aber ein begrenzter und zusammengesetzter Raum. Unser Bild vom Raum ist in Wirklichkeit an den Rändern verzerrt und verschwommen, sein Inhalt teilt sich in mehr oder minder selbstständige Gruppen und Stücke, und nachdem unser physiologisch gegebenes Gesichtsfeld sphäroid ist, sehen wir teilweise Kurven statt Geraden. Genau genommen sehen wir die Wirklichkeit durch die Wölbung der Netzhaut kugelförmig verzerrt, wie z.B. Fische sehen und wir nehmen es als "gerade" wahr, weil es als "gerade" erlernt ist. Diesen Lernunterschied nehmen wir bei der Anpassung einer neuen Brille wahr.
Die Zentralperspektive ergibt einen mathematisch richtigen, aber keinen psychophysiologisch realen Raum.

Das zentralperspektivische Raumbild, wie es uns die Kunst seit der Renaissance vor Augen führt, mit der gleichmäßigen Klarheit und Gestaltung aller Teile, dem gemeinsamen Fluchtpunkt der Parallelen und dem einheitlichen Verfahren der Distanzmessung, ist eine Abstraktion.

Regeln der Zentralperspektive:

  1. Alle senkrechten Linien in der Wirklichkeit bleiben auch senkrecht in der Zeichnung.
  2. Alle raumbildenden waagerechten parallelen Linien in der Wirklichkeit verlaufen in der Zeichnung zu den Fluchtpunkten auf der Horizontlinie.
  3. Linien, die in der Abbildungsebene liegen, erscheinen in wahrer Länge, Linien hinter der Abbildungsebene erscheinen verkürzt, Linien vor der Abbildungsebene erscheinen verlängert.

Leon Battista Alberti (1404-1472) entwickelte in seiner Schrift "Della Pittura" seine Theorie der Zentralperspektive und erfüllte in seinem ersten bewusst perspektiv-logisch entwickelten Bild eines Fliesenfußbodens alle Regeln der perspektivischen Kunst.
Schon Jahre vor Alberti, suchte der Schöpfer der Domkuppel von Florenz, Filippo Brunelleschi (1377-1446), zu beweisen, dass auch das "Bild" als Kunstwerk in der Lage sei, die Vollkommenheit angewandter Mathematik zu erreichen. Dazu entwarf er das Modell mindestens zweier außerhalb des Bildformates gelegenen Fluchtpunkte, zu denen die eigentlich "in die Tiefe" reichenden Linien verlaufen. Diese beiden Fluchtpunkte gehören bis heute zu jedem Zeichenunterrichts.


Lehrplaneinbindung:
http://db.kmk.org/lehrplan/

  • Im bayerischen Hauptschullehrplan ist die Perspektive unter "Lz 8.1 Räumlichkeit entdecken und sichtbar machen" zu finden.
  • Im neuen Lehrplanentwurf für das bay. Gymnasium 2002 ist die Perspektive auch unter Lz 8.1 zu finden.
  • Im Realschullehrplan RS 8 III b/ 3-stdg ist in der 8. Jgst. nur die Parallelperspektive verzeichnet, die Zentralperspektive findet sich aber in der 9. Jgst. in Ku RS 9 III b unter Gestaltungslehre.

Ich habe den Themenbereich unterrichtlich in mehrere Aspekte und Jahrgangsstufen verteilt. Perspektive sowie Licht- und Schattenbildung tauchen sachlich schwer trennbar zu verschiedenen Lernzielen auf.

 

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Persp14.gif

das "Schwimmbecken", am mittleren Bild fällt die optische Täuschung auf, die gerasterten Wände und der Boden scheinen gekrümmt zu sein.

persp15.gif

"Schwimmbecken" groß, irreführend, Schülerblatt, das Objekt ist zu nah an der Bildebene konstruiert, die schraffierte Flächenfüllung dient der Benutzung und Veranschaulichung von Pastell- Farben

 

"Gestalte einen Farbtunnel!" (8. Jgst)

Das Thema ist eine methodisch- unterrichtliche Vorstufe zur Fluchtpunkt-Perspektive und eher als dekorative Übung gemeint.

 

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Fluchtpunktperspektive 8. Jgst. mit starker Raumwirkung, Schülerarbeiten, Foto Tunnelbilder.

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Schülerarbeit, Tunnelbild. Um eine regelmäßige rundum-Teilung der Rasterung zu bekommen, muss die Seite in ungerade Zahlen geteilt werden, also 7, 9, 11 usw. Sehr starke Raumwirkung.

 

"Gestalte eine gerade Straße in Zentralperspektive!" (8. Jgst)

 

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Straße mit Häusern. Ich habe diese Arbeit mehr als übliche Devotionalie begriffen.

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Straßenbild, Schülerarbeit

 

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ist ein verspielter Vorschlag zum Thema Farb- Verblauung einer Landschaft: der Vordergrund muss klar und kräftig dargestellt werden, der Mittelgrund verblasst und die Berge des Hintergrundes sind zartfarben verblaut. Wegen der fortwährenden Aufhellung ins Weiß braucht das schwierige Thema mehrere Unterrichtsstunden.

 

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zeigt die Verblauung des Hintergrundes an einem Foto: der Bootssteg ist im Vordergrund zentralperspektivisch korrekt vorgefunden, der zartblaue Hintergrund der Berge liegt in dunstiger Ferne. Der Mittelgrund wird völlig ausgeblendet durch das unbewegte Wasser.

 

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ist ein einfaches Schülerblatt zum Thema "Raumwirkung durch Farbe", wegen des verwendbaren Nachthimmels lässt sich das Blatt auch zum Thema Komplementärkontrast, Hell- Dunkel-, Viel- Wenig- Kontrast usw. verwenden. Idealerweise sollte man dies Thema im tiefsten Winter verwenden.

 

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ist die Konstruktion eines 8 x 8 Rasters; das abgebildete Objekt liegt zu nah an der Bildebene.

 

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ist die Vorstufe zum Zimmer-Thema. Um einen kompletten Raum darzustellen, muss er als Draufsicht vorliegen. Konstruktion eines 9 x 9 Rasters, das Objekt liegt zu nah an der Bildebene.

 

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ist eine Raumteilung in 2 x 4,5 Meter und 2,5 x 4,5 Meter. Ich nehme hier dies Blatt nur deshalb auf, um den seitlich gelegenen Fluchtpunkt am Rand des kleinen geteilten Zimmers zu zeigen. Unterrichtlich nur als OH- Folie zur Veranschaulichung geeignet

 

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Zimmerdarstellung in einem 9 x 9 Raster, korrekte Basis, Schülerarbeitsblatt mit Horizont und Fluchtpunkt. (Ich habe dies Blatt sehr früh ausgeteilt, um die Schüler zu gewöhnen.)

 

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Zimmerschablone und -raster zur Übungsgröße von 2,5 x 3 Metern, im Übungsrahmen von 4,5 x 4,5 Meter

 

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Ausschneideblatt mit verschieden großen Figuren, Schülerarbeitsblatt

 

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Personen ausgeschnitten und aufgeklebt, ohne den Schatten hinzu gezeichnet zu haben, Zwischenstufe.

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geordnetes Personenbild, mit Schattenwurf, Schülerarbeit. Auffällig war das Vermeiden von Formüberschneidungen.

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geordnetes Personenbild, mit Schattenwurf, Schülerarbeit

Die Schüler mussten sich als Arbeitsschwerpunkt einer Stunde erst an die Augenhöhe des Horizontes gewöhnen. Umgehung des Problems: "wie hoch steht der Betrachter? (wie groß ist der Betrachter)" (Vogelperspektive, Froschperspektive); eine gruppiertes Legen der Figuren in Froschperspektive ergibt kaum Verständnisgewinn (der Schattenwurf wird zu flach).

 

"Gestalte Dein Zimmer!" (8. Jgst)

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Zwischenübung, Austeilen eines sonst weißen Blattes mit nur zwei Stühlen, Ergebnis und Schülerblatt zum Schattenwurf der beiden Stühle am Fenster, vorhandenes 3D-Objekt aus dem Micrografx Simply3D-Programm. Das Objekt muss unter Word etwas tiefer als die Blattmitte aufs ganze Blatt eingefügt werden, damit der Schüler den Stuhl als von Anfang an "unter Augenhöhe" begreift.

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Ergebnisblatt des Schattenwurfs von zwei Stühlen am Fenster.

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Schülerarbeitsblatt zum Einzeichnen des eigenen Grundrisses, Hilfsmittel. Gerasterte Draufsicht, passend zum 9 x 9 - Raster.

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Zimmer, Draufsicht mit Raumbildskizze, Zimmer und Möblierung. Stark verdünnte farbige Tusche. Es geht mir weniger um die Abbildung des realen Zimmers eines Schülers, auf das er freilich als Referenzobjekt zurück greift. Der Begriff "Traumzimmer" ist unterrichtlich nicht mehr hilfreich.

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Zimmer, Konstruktion in schattierendem Bleistift, Schülerarbeit Martin Ried

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Zimmer, Konstruktion in Bleistift, Schülerarbeit Sonja Hindelang 8c

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Zimmer, Durchlichtblatt, eigentlicheArbeit und lasierende Tusche, Schülerarbeit Sonja Hindelang 8c

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Zimmer, Durchlichtblatt, eigentliche Arbeit und lasierende Tusche, Schülerarbeit, Martin Ried 8c

 

Wer unterrichtlich und stofflich anders ansetzt, für den sind die folgenden gif-Blätter zur Perspektive mit zwei Fluchtpunkten hilfreich.

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stellt mit 2 Fluchtpunkten die Entwicklung und Konstruktion eines 9 x 9 Zimmer - Rasters dar.

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weiter entwickelt. Wenn das Blatt im Unterricht verwendet werden sollte, muss das Objekt ums 2-fache vergrößert werden, Festkleben des Papiers mit Tesa auf dem Tisch und Lineallänge mindestens 70 cm.

 

"Gestalte ein Stillleben!" (9.Jgst)

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Foto von Holzklötzchen, methodischer Schritt am Anfang der Stunde, "Stelle sie geordnet zusammen, nehme große und kleine Formen dicht und weit gestellt!"
Unterrichtlich ist hilfreich, zur Erhöhung des Kontrasts und zur Verbesserung des Schattenwurfs einmal das Licht im Klassenzimmer auszuschalten.

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Holzklötzchen gestellt, gruppiert und gezeichnet, ausgetauscht mit den Klötzchen des Mitschülers, schattiert in Hell und Dunkel, Lichteinfall, Schattenwurf mit diffusem Licht

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Schülerarbeit, nur Quader, ohne Schattenwurf

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an die Schüler ausgeteiltes Hilfsblatt zum Thema Überschneidung, Kugeln

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an die Schüler ausgeteiltes Hilfsblatt zum Thema Überschneidung, Flaschen

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Flaschen, mit Schattenwurf

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Schülerarbeit; Quader, Zylinder Kugeln und Flaschen mit Modellierung; sehr dichte Überschneidung der Einzelformen, aber perspektivisch falsch zugunsten einer künstlerischen Auffassung

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Schülerarbeit, Quader und Zylinder, geringe Überschneidung der Einzelformen, Modellierung der Formen- aber kein Schattenwurf.
Wer es fachwissenschaftlich vergleicht: z.B. die Ausstellung "Stille Welt, italienische Stillleben, Arcimboldo, Caravaggio, Strozzi...., Kunsthalle Hypo-Kulturstiftung: die Entwicklung von Perspektive, stofflicher Wirklichkeit Überschneidung und Schattenwurf ist hier recht genau zu beobachten.
Man vergleiche auch z.B.
http://www.kgi.ruhr-uni-bochum.de/stillleben/
http://www.rijksmuseum.nl/asp/aria/thumbnail.asp?SID=3504&TID=7076&From=thema
http://www.khm.at/stillleben/ausstellung/ziel/05markt_kueche/frameset05.html

 

 

Nachbemerkungen:
Nicht umsonst heißt es in der Lehrplanformulierung ".....räumliche Strukturen entdecken und sichtbar machen..." Die Abbildung von Licht und Schatten eines ruhenden Objekts ist Endpunkt einer Entwicklung, die etwa die Hälfte der Schüler gut erreicht.

Ganz entscheidend ist das Thema beeinflusst worden durch die Erfindungen des Industriezeitalters. Die Erfindung der Straßenbeleuchtung verschob die nutzbare Tageszeit über die Dämmerung hinaus; die Erfindung der Fotografie nahm den Druck zur Schilderung der topografischen Richtigkeit von den Malern und die relativierende Wahrnehmung von eigener Reisegeschwindigkeit und Bewegung führte zur Erfindung des Films, bzw. zum Wandel von Standpunkten.

 

Reinhard von Tümpling, 2002