Im Zusammenhang mit fertigen Konzepten standen
mir einige Ausmalbilder unterrichtlich zur Verfügung:
Ich habe den Text dem Künstlerlexikon der Digitalen Bibliothek
entnommen und nachbearbeitet:
Klee,
Paul, Kindlers Malerei-Lexikon, ISBN 3-89853-122-8, Directmedia
Publishing GmbH Berlin
Klee, Paul
* 18.12.1879 in Münchenbuchsee bei Bern
29.6.1940 in Muralto bei Locarno
Paul Klee beeinflusste die Entwicklung der modernen Kunst entscheidend.
Es ist unmöglich, seine Werke irgendeiner der konventionellen
Kategorien einzuordnen, durch die man die Kunst des 20. Jahrhunderts
begrifflich zu erfassen hofft.
Sein Werk gilt als konstruktiv, romantisch, lyrisch, primitiv,
kindlich und analytisch.
Klees Vater als Deutscher war Musiklehrer, seine Mutter Schweizerin.
Paul spielte ausgezeichnet Geige; sein ganzes Leben lang blieb
er der Musik verbunden. Im Jahre 1898 ging Klee nach München,
wo er zunächst die private Malschule Heinrich Knirrs besuchte;
1900 wurde er zur Akademie zugelassen.
Im selben Jahr trat er dort in die Klasse Franz von Stucks ein,
der einen strengen, gründlichen Unterricht erteilte; dazu
bemerkte Klee: "Stuckschüler zu sein, hatte einen guten
Klang. In Wirklichkeit war es aber nicht halb so glänzend.
Ich kam anstatt mit ganzem Verstand mit tausend Schmerzen und
vielen Vorurteilen dahin. In der Farbe kam ich schwer vom Fleck.
Da in meiner Beherrschung der Form der Gefühlston stark vorherrschte,
suchte ich wenigstens hier möglichst zu profitieren. Und
bei Stuck war hierin wirklich manches zu holen..."
1901 unternahm Klee mit dem Bildhauer Hermann Haller eine Reise
nach Italien und kehrte nach 1902 Bern zurück.
Zwischen 1903 und 1905 entstand eine Serie von zehn radierten
'Inventionen'; sie sind grotesk, satirisch wie etwa die 1903 entstandene
Jungfrau im Baum. Klee studierte Blätter Blakes und Goyas,
dessen Schwarzweißtechnik ihn dazu reizte, 1905 als Radiergrund
geschwärztes Glas zu verwenden.
Klee lebte zunächst bei seinen Eltern in Bern; 1906 heiratete
er die Pianistin Lily Stumpf und siedelte nach München über.
Damit begann ein neuer Abschnitt in seiner Kunst: Er wandte sich
von der Strenge und Derbheit der 'Inventionen' ab. 1911 lernte
er Alfred Kubin kennen; im Winter schloss er sich der Gruppe »Blauer
Reiter« an, deren Mitgliedern Kandinsky, Marc und Macke
er viele Anregungen verdankte.
Auf den Ausstellungen des »Blauen Reiters« 1911 und
1912 sah Klee Bilder Robert Delaunays, den er 1912 in Paris besuchte.
Im Januar 1913 erschien Klees Übersetzung von Delaunays
Aufsatz »Über das Licht« in der Berliner Zeitschrift
»Der Sturm«. Delaunays Experimente beeinflussten Klee
entscheidend, der damals anfing, sich mit Problemen der Farbe
auseinanderzusetzen. In Paris sah Klee im Hause des Kritikers
Wilhelm Uhde zahlreiche kubistische Gemälde, besonders von
Picasso und Braque, die seine Einstellung zur Formgebung veränderten.
Auf Klees Reise nach Kairuan in Tunesien, die er mit Macke und
Moilliet 1914 unternahm, vollzog sich eine Wende in seiner künstlerischen
Entwicklung.
Trotz der kurzen Zeit vom 8. bis zum 19. April brachte diese
Reise nach Tunesien dem Maler große Entwicklungen: er entdeckte
den Eigenwert der Farbe.
Begierig nahm er die sinnlichen Reize von Licht, Farbe, Musik
und abstrakten Zeichen auf. Am 16. April 1914 schrieb Klee in
sein Tagebuch: »(...Das Licht...) Es dringt so tief und
mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne
Fleiß. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu
haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das
ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins.
Ich bin Maler.«
Klee reiste nach München zurück. Seine Erlebnisse gestaltete
er in einer Anzahl von Aquarellen, deren bedeutendstes den Titel
vor den Toren von Kairuan trägt: Hier wird die Erscheinungswelt
in ein Rasterfeld übertragen, das seine Herkunft aus dem
Bereich der technischen Darstellung nicht leugnet; vorwiegend
ästhetische Erwägungen, wie Geschlossenheit des inneren
Bildaufbaus oder der Farbharmonie, treten offensichtlich zugunsten
einer vorbestehenden Ordnung zurück.
Klee verfolgte mit Interesse die Hauptrichtungen in der Malerei
der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: zunächst den
Kubismus, später Konstruktivismus und Surrealismus. 1914
war ein produktives Schaffensjahr, das jedoch von zwei Katastrophen
überschattet wurde: Am 1. August brach der Erste Weltkrieg
aus, und am 26. September fiel sein Freund August Macke. Der Freund
Franz Marc fiel am 4. März 1916 vor Verdun.
In Klees Tagebuch von 1915 steht der Satz: "Je schreckensvoller
diese Welt (wie gerade heute), desto abstrakter die Kunst."
Wohl deshalb sind in seinen Werken zwischen 1915 und 1920 nur
wenige Figuren zu finden. Darstellungen wie Landschaft mit Fahnen
von 1915 und Unter schwarzem Stern (Basel) von 1918 zeigen, dass
Klee die Bedrohung des Menschen durch vor-kritische, kosmische
Mächte erkannte, die er in einer zeitentbundenen Zeichensprache
von Formen und Farben zu beschwören und zu bannen suchte.
Die Mehrzahl von Klees Arbeiten aus den Jahren 1914-18 sind Aquarelle;
1919 begann er dann, mehr mit Ölfarben und verschiedenen
anderen Materialien zu experimentieren: dabei verwendete er die
außergewöhnlichsten und kühnsten selbst erfundenen
und wohl überlegten Zusammenstellungen, die er genau dem
Bilde anpasste, das er schaffen wollte.
1919 wurde Klees Name allmählich bekannt; 1920 erschien
sein bereits 1918 begonnener Aufsatz »Schöpferische
Konfession«, worin er schrieb: »Kunst gibt nicht das
Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.«
1920 wurde Klee von Walter Gropius zum »Meister«
an das Bauhaus berufen, das am 21. März 1919 in Weimar eröffnet
worden war. Im Januar 1921 siedelte Klee dorthin über. Am
Bauhaus verlebte Klee eine sehr glückliche und auch produktive
Zeit; durch seine Kollegen erhielt er viele Anregungen, wobei
sich sein Verhältnis zu Kandinsky als besonders fruchtbar
erwies. Klee schuf Bilderserien aus gewissermaßen 'Paradoxen
Perspektiven'.
Gleich den 'Paradoxen Perspektiven' zeigen auch die 'Magischen
Quadrate', wie Klee das Raumproblem behandelte. Dieses Motiv kehrt
seit 1922 in vielfältigen Variationen bis zu seinem Tode
immer wieder. Wie schon bei vor den Toren von Kairuan liegt auch
hier ein Rasterfeld zugrunde; häufig wird die Strenge der
Koordinaten programmatisch durch ein aufsässig unregelmäßiges
Element sowohl in Form als auch in Farbe gebrochen. Die Fläche
verliert ihre Einheit durch Andeutungen von Perspektive und gewinnt
damit an Leben.
1924 schrieb Klee die mehr poetische Betrachtung Ȇber
die moderne Kunst«, worin er viele Einblicke in seine Schaffensmethoden
und seinen Standpunkt als Künstler gewährt: »Lassen
Sie mich ein Gleichnis gebrauchen, das Gleichnis vom Baum. Der
Künstler hat sich mit dieser vielgestaltigen Welt befasst,
und er hat sich, so wollen wir annehmen, in ihr einigermaßen
zurechtgefunden; in aller Stille. Er ist so gut orientiert, dass
er die Flucht der Erscheinungen und Erfahrungen zu ordnen vermag.
Die Orientierung in den Dingen der Natur und des Lebens, diese
vielverästelte und verzweigte Ordnung möchte ich dem
Wurzelwerk des Baumes vergleichen. Von daher strömen dem
Künstler die Säfte zu, um durch ihn und durch sein Auge
hindurchzugehn. So steht er an der Stelle des Stammes. Bedrängt
und bewegt von der Macht jenes Strömens, leitet er Erschautes
weiter ins Werk. Wie die Baumkrone sich zeitlich und räumlich
nach allen Seiten hin sichtbar entfaltet, so geht es auch mit
dem Werk.«
1925 erschien das »Pädagogische Skizzenbuch«,
das die Grundlagen seines Unterrichts mitteilt.
Er analysiert die primären Bildelemente, charakterisierte
sie und zeigte ihre schöpferischen Möglichkeiten auf.
Klees Vorlesungen am Bauhaus, einzigartige moderne Principia aesthetica
aus Analyse und Diskurs, enthält »Das bildnerische
Denken«:
Hier offenbart sich seine Stärke sowie eine konstruktivistische
Gründlichkeit, die man kaum bei einem so grundsätzlich
romantisch veranlagten Maler vermutet hätte.
In jenen Jahren bildete Klee zusammen mit Kandinsky, Feininger
und Jawlensky die Gruppe »Blaue Vier«. 1925 wurde
das Bauhaus-Institut nach Dessau verlegt. Ende 1928 fuhr Klee
nach Ägypten; auch diese Reise in den Vorderen Orient brachte
wichtige Anregungen für seine Kunst. Das Licht und die Sonne,
die Denkmäler und ihre Dekorationen sowie die zugrunde liegenden
Proportions- und Konstruktionsgesetze bewegten ihn lebhaft.
1930 begann er die Serie der sogenannten divisionistischen Bilder,
wo die Farbe ähnlich dem Pointillismus in kleinen Farbtupfen
aufgetragen wird. Wie die 'Magischen Quadrate' sind auch sie manchmal
abstrakt, manchmal figurativ.
Die nun gespannte Atmosphäre am Bauhaus, die auf interne
Veränderungen und auf den politischen Druck des anschwellenden
Nationalsozialismus zurückging, bewog Klee, 1931 eine Professur
an der Düsseldorfer Akademie anzunehmen. Der Abschied vom
Bauhaus und von seinen Freunden, vor allem von Kandinsky, fiel
Klee nicht leicht.
In Düsseldorf konnte er sich völlig auf den Malunterricht
konzentrieren. Doch schon zwei Jahre später musste er neuerlich
dem Druck der Nationalsozialisten weichen. Klee kehrte 1933 nach
Bern zurück. Im Jahre 1935 machten sich die ersten Anzeichen
seiner tödlichen Krankheit bemerkbar. Klees letzte und reifste
Schaffensperiode begann 1937, als er sich immer mehr einem größeren
Format zuwandte.
Manchmal wirken seine Bilder doppeldeutig oder leicht ironisch,
was allzu leicht über die fürchterlichen Prophezeiungen
von Katastrophen ungeahnten Ausmaßes hinweg täuscht
- zumal der Formenapparat Klees auch heute noch häufig als
»kindlich« missverstanden wird.
Klees Todesahnungen prägten eine Reihe von Engelsdarstellungen,
unter denen Der Todesengel (Bern) von 1940 mit dem Totenkopf ähnlichen
Gesicht und der düsteren, von bösen Vorahnungen bestimmten
Farbskala hervorragt.
Paul Klee starb in Muralto bei Locarno an einem Hautleiden. Die
Schweizer Staatsbürgerschaft, die ihm so viel bedeutet hätte,
blieb ihm verweigert.
Kurz vor seinem Tode hatte die Kunsthalle Bern eine Ausstellung
seiner Werke aus den Jahren 1935-40 veranstaltet; Klees Ansehen
stieg seit seinem Tode immer mehr. Wegen seiner Bilder und Schriften
gilt er heute als einer der bedeutendsten Künstler in der
ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.
Wer Klee als Reisetourist versucht
nachzuempfinden:
Eine Woche im 3-Sterne-Hotel "Amilcar" in Tunis-Carthago
(1 km bis Sidi Bou Said) mit Halbpension und Flug ab München
diesen Winter 2002 ab 309 Euro bei ITS-Reisen; eine Woche im Strandhotel
"Riu Palace Oceana" in Hammamet mit Halbpension und
Flug ab München ab 479 Ero bei TUI. Von dort aus werden Ausflüge
unter anderem nach Kairouan angeboten.
Ein anderer Ansatz zum Verständnis
Paul Klees bietet der folgende Artikel, den ich der "Süddeutschen
Zeitung" (SZ vom 26.03.2002) im Reiseteil als Buchrezension
entnommen habe:
Reiseliteratur:
Die
Tunisreise: Klee, Macke, Moilliet. Hatje Cantz Verlag, ISBN 3-7757-0177-X,
25 €.
Steile kopfsteingepflasterte Gassen führen hinab in den
siebten Himmel. Vorbei an schneeweißen und wie Schachteln
übereinander gestapelten Häuschen mit hellblauen Türen
und Fensterläden und gefliesten Innenhöfen, vom Leuchtturm
hoch über dem Ort bis hinunter in die Altstadt von Sidi Bou
Said: Dorthin, wo vor fast 90 Jahren August Macke, Paul Klee und
Louis Moilliet gesessen, geträumt und vor allem aquarelliert
haben. In ihren Skizzenblöcken hielten sie den arabischen
Alltag fest, der an ihnen vorbei zog - all die orientalische Urtümlichkeit,
die Farbenpracht, die Fremdheit hier vor den Toren der tunesischen
Hauptstadt am Golf von Tunis. "Die Leibhaftigkeit des Märchens!"
notierte Paul Klee in seinem Tagebuch. "Ich und die Farbe
sind eins. Sie hat mich. Für immer!"
Blick über die Dächer
Jahre später sollte die Nordafrika-Fahrt der drei Maler als
"Tunisreise" in die Kunstgeschichte eingehen. Die hier
in den zwölf Tagen zwischen 7. und 19.April 1914 entstandenen
Arbeiten hängen heute in bedeutenden Museen und Privatsammlungen
moderner Kunst - die Werke der Tunisreise, die das Gespann erst
nach Sidi Bou Said und Tunis, dann weiter nach Hammamet und Kairouan
geführt hat. Allein August Macke hinterließ mehr als
100 Zeichnungen und fast vierzig Aquarelle von dieser Reise. Es
war seine letzte, denn schon im September 1914 fiel er auf einem
der Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs. Seit Generationen hat
Sidi Bou Said, heute ein Villenvorort von Tunis, Künstler
angezogen - neben Macke und Klee auch Flaubert und Guy de Maupassant.
Wenn die Sonne unterging, saßen sie auf der von Bougainvillea
umrankten Terrasse des "Café des Nattes", genossen
erfrischenden Pfefferminztee mit Pinienkernen, rauchten Wasserpfeife,
blickten über die schneeweißen Dächer des Ortes
hinweg Richtung Golf von Tunis und schickten ihre Gedanken auf
Reisen. Sie hörten den Ruf des Muezzins der benachbarten
Moschee.
"Allahu akbar" schallt es von dort heute genau wie
1914 vom Minarett, wenn die Sonne im Meer versinkt und das Land
mit einem glutroten Schleier überzieht. Macke hat sie gemalt,
das Bild "Blick auf die Moschee" genannt. Mit seinem
Pinsel hat er die Stimmung festgehalten und in seinen Farben auch
den Klang der Stimme des Muezzins für die Ewigkeit fixiert.
Macke, Klee und Moilliet kamen mit dem Linienschiff Carthage aus
Marseille. Sidi Bou Said war die erste Siedlung, die sie von Deck
aus am Horizont sahen, der erste Eindruck von Afrika: "Ein
Bergrücken, worauf streng rhythmisch weiße Hausformen
wachsen. Nur noch nicht greifbar (...). Die farbige Klarheit am
Lande verheißungsvoll", notiert Klee. Quartier beziehen
die drei Reisegefährten im Privathaus des Schweizer Arztes
Dr. Jäggi in Tunis, später in seinem Landhaus im heutigen
Stadtviertel Ez Zahra, dem ehemaligen St. Germain. Als Dank für
die Gastfreundschaft haben Macke und Klee ein Fresko auf die Wand
des Esszimmers gemalt. Ob es erhalten ist? Wie es aussieht? Die
Türglocke kann keine Fragen beantworten, und Menschen tauchen
nicht auf.
Die Gassen von Sidi Bou Said sind noch immer mit Kopfstein gepflastert.
Auch das Café scheint sich seit 1914 kaum verändert
zu haben. Nur ist es inzwischen Anziehungspunkt der Tagesausflügler
aus den Badeorten geworden, die auf den Spuren der "Tunisreise"
durch den herausgeputzten maurischen Bilderbuch-Ort spazieren.
Eine Stunde gewähren ihnen ihre Reiseleiter dafür, ehe
der Bus weiter rollt Richtung Carthago, anschließend zum
Bardo-Museum, danach zur Medina von Tunis. Am schönsten ist
es in Sidi Bou Said nach Sonnenuntergang, wenn es leer geworden
ist in den Gassen. Wenn die Tour-Busse wieder zurück in die
Mittelmeer-Badeorte gefahren sind. Dann, wenn wieder alles so
ist wie zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Wenn alle wieder Zeit
zum Plausch haben. "Die Stadt liegt so schön da oben
und blickt weit ins Meer, das hoch aufatmend mit uns hinaufsteigt",
hält Klee seine Eindrücke im Tagebuch fest.
In Sichtweite hat der tunesische Präsident seinen Palast
von Carthago. An derselben Stelle residierten vor ihm Punier und
Römer. Nur ein kleiner Teil der Ruinen dieser einstigen Weltstadt
ist ausgegraben worden - darunter ein Amphietheater und die direkt
an den Präsidentenpalast grenzenden Ruinen der Antoninus-Pius-Thermen.
Wo man weitergraben könnte, wird die Vergangenheit gerade
mit Stahlbeton versiegelt: Bauarbeiten für die größte
Moschee des Landes, die einmal an Präsident Ben Ali erinnern
wird. Er hat sie seinem Volk versprochen und lässt sie in
Fußwegentfernung der antiken Thermen von Carthago errichten.
In Sichtweite der Baustelle ragen die Säulen punischer Bauten
aus dem Boden. In der Nacht ihrer Ankunft zog es die drei Maler
in die Medina von Tunis. Dr.Jäggi führte sie durch das
Labyrinth: "Ein Spaziergang durch die nächtliche Araberstadt.
Materie und Traum zu gleicher Zeit", philosophiert Klee.
Bei Tageslicht kehren sie zurück: "Den Kopf voll von
den nächtlichen Eindrücken des gestrigen Abends. Kunst
- Natur - Ich. Sofort ans Werk gegangen und im Araberviertel Aquarell
gemalt (...). Tunis ist erstens arabisch, zweitens italienisch
und erst drittens französisch."
Macke kann der Farbenfülle des Basars am wenigsten widerstehen,
stürzt sich ins Getümmel, kauft ein. Er habe den "Reiz
des Geldausgebens" gelobt, vertraut Klee später etwas
verächtlich seinem Tagebuch an. Ob Macke in seinem Spaß
am Geldausgeben einen der farbintensiven Teppiche erstanden hat,
einen Kupferteller mit fein ziseliertem Muster? Oder Töpferwaren?
Ein Plüsch- Kamel mit bedruckter Bauchbinde und dem Text
"J'aime la Tunisie" - Ich liebe Tunesien? Paul Klees
Tagebuch schweigt darüber. Süßlich riecht es in
den Altstadtgassen rund um die Hauptmoschee Jama ez Zitouna, nach
Weihrauch und Wasserpfeife, nach gefüllten Dattelpralinen
und Schmalzgebackenem mit Zuckerkruste, nach 1001 Parfumdüften
aus zahllosen Flakons. Das Aroma der Träume.
Disneyland Hammamet
Verschleierte Frauen huschen vorbei, dahinter selbstbewusste junge
Tunesierinnen in engen Jeans. Noch hocken Tauben im Innenhof der
Hauptmoschee ungestört und in solchen Scharen wie sonst nur
auf dem Markusplatz von Venedig. In weniger als einer Stunde werden
hier die Gläubigen wieder zum Gebet zusammen kommen. Wenn
die Sonne am Horizont versunken ist, wird der Muezzin sie rufen.
Lautsprecher verstärkt wird sein Gesang wie ein Fliegender
Teppich über die Dächer der Medina rauschen. So ähnlich
dürfte sich 1914 auch die Medina von Hammamet gegeben haben.
Heute ist sie ein Orient- Disneyland, dessen Mauern echt sind,
dessen Mauernischen aber längst mit Allerweltssouvenirs in
austauschbaren Geschäften gefüllt sind. Die Gassen sind
verstopft mit Europäern, und alle Sprachen hört man
hier - nur eine kaum noch: die arabische. Ein Hinweisschild am
Eingangsportal weist mehrsprachig den ohnehin unübersehbaren
Weg in die hoch ummauerte Altstadt: "Zur Medina" steht
dort auch auf Deutsch. "Die Stadt ist fabelhaft, am Meer
gelegen, winklig und rechtwinklig und wieder winklig. Dann und
wann von der Ringmauer ein Blick. (...) Ich versuche zu malen
(...). Ein Rhythmus für immer (...). Hohe Oboentöne
und Tamburinklänge locken zum Schlangenbeschwörer und
zum Skorpionfresser: Ein entzückendes Theater auf der Straße.
Der Esel sieht auch zu."
Klee ist begeistert vom Hammamet des Jahres 1914. Kein Wunder,
das im Zeitalter der Farbfotos und des großen Tourismus'
zuerst dieses Dorf in die bunten Katalogen für die Urlaubshungrigen
aus dem Norden Einzug gehalten hat. Kein Wunder, dass das verschlafene
Hammamet des Jahres 1914 heute die Hochburg des tunesischen Badetourismus
geworden ist. Mehr als 50000 Gästebetten gibt es dort inzwischen.
Frühmorgens um sechs sind die drei Maler seinerzeit in Tunis
aufgebrochen und die weniger als 100 Kilometer bis Hammamet mit
dem Zug gefahren: "Man kommt nur langsam vorwärts. Aber
was macht das? (.. .) In allen Hecken singen Vögel. Wir blicken
in einen Garten, wo ein Dromedar an der Zisterne arbeitet. Das
ist ganz biblisch." Nach nur einer Nacht packen sie ihre
Aquarellfarben und Staffeleien wieder ein und ziehen weiter Richtung
Kairouan - erst zu Fuß, dann mit dem Zug.
Nach Mekka, Medina und Jerusalem ist Kairouan die vierte Heilige
Stadt des Islam, die höchstrangige Pilgerstätte der
Moslems in Afrika. Wer siebenmal zum Geburtstag des Propheten
Mohammed nach Kairouan pilgert, wiegt damit eine "Hadsch"
nach Mekka auf - sagt zumindest der Volksmund. Einer Legende zufolge
sollen stets 500 Heilige unter den Bewohnern Kairouans sein, die
sich zu Lebzeiten nicht selbst als solche ausgäben, sondern
durch ihre innere Ruhe und ihre Wohltaten zu erkennen seien. Gedanken
zucken durch den Kopf. Wie mögen diese Heiligen aussehen?
Wer mag einer sein? Der Händler dort, der gerade Kaktusfeigen
abwiegt? Der hilfsbereite Junge? Vielleicht der fröstelnde
Alte mit dem schütteren Haar? Die drei Männer mit den
Malutensilien lassen die Fremdheit der Heiligen Stadt auf sich
wirken, ehe sie sich in die engen Gassen der Medina wagen: "Teedurst
wird (erst) ausgiebig gestillt, um die Entdeckung des Wunders
Kairouan (danach) würdig durchzuführen."
Nun streift Klee die Rolle des übergeordneten Erzählers,
des unbeteiligten Beobachters ab, auf die er sich bei seinen Tagebucheinträgen
bis dato immer wieder zurück gezogen hat: "Tausendundeine
Nacht als Extrakt mit neunundneunzig Prozent Wirklichkeitsgehalt.
Welch ein Aroma, wie durchdringend, wie berauschend, wie klärend
zugleich." Und endlich hat auch ihn im Basar der Kaufrausch
gepackt: "Wir kaufen plündernd." Sie erstehen Aquarelle
tunesischer Künstler. Diesmal verrät er es. Klee fühlte
sich in der Fremdheit zuhause, schrieb sich die Frage ins Tagebuch,
ob dies die Heimat sei und blieb dort die Antwort schuldig. "Ja"
oder "Nein" schrieb er nicht, aber seine Bilder beantworten
diese rhetorische Frage an sein Innerstes. Sie antworten "Ja".
Sie flüstern es nicht. Sie rufen es laut heraus. Jeder soll
es hören, jeder in ihren Farben und Formen lesen. Kairouan
ist eine Gründung des arabischen Heerführers Sidi Oqba
Ibn Nafi aus dem Jahr 671.
Heute verfügt die Stadt über die am besten erhaltene
arabische Altstadt Tunesiens. Sie ist von der Unesco in den Rang
eines schützens- und erhaltenswerten "Weltkulturerbes
der Menschheit" erhoben worden. Die sechs Kuppeln über
dem Gebetssaal der Sidi Oqba-Moschee werden von 414 Säulen
mit antiken Kapitellen getragen. Die Baumeister ließen diese
Säulen aus weißem und rotem Marmor aus den römischen
Ruinen überall im Lande herausbrechen und hierherschaffen.
Der Großteil davon stammt aus Carthago - die Antike als
Steinbruch für eine neue Welt unterm Halbmond. Kühl
ist es hier im Schatten der dicken Mauern. Und am Morgen wunderbar
still. Leise Schritte, Murmeln, Tuscheln, respektvoll auf Flüsterlautstärke
reduzierte Unterhaltungen. Aus Klee bricht immer wieder die Begeisterung
heraus: "Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle
das und werde so sicher, ohne Fleiß. Die Farbe hat mich
(...). Sie hat mich für immer (...). Das ist der glücklichsten
Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler."
In den Straßen der Souks von Kairouan duftet es nach mit
Rosenöl parfümiertem Kaffee, nach süßem Gebäck,
nach in heißem Fett gebackenen Köstlichkeiten, dann
nach frischem Obst, irgendwann nach Tabak.
Ganz Auge
In den Hinterhofbäckereien links und rechts der Gassen entsteht,
wofür Kairouan bekannt ist - "Makrout", kleine
Griesteigkügelchen, die mit Dattelmus gefüllt sind.
Klee hält der Fülle der Eindrücke nicht mehr Stand,
ist überglücklich, vollgesogen mit Impressionen, reist
vorzeitig ab, will allein sein - nicht aus Abneigung gegen diese
Stadt, sondern aus Nähe zu ihr: "Es war zu stark, was
ich erlebte. Und fort musste ich auch, mich zu besinnen."
Nach nur zwei Nächten in Kairouan setzt er sich in den Zug
nach Tunis und vertraut dem Tagebuch an: "Ich bin ganz Auge."
Nur zwei weitere Tage hält er sich noch in Tunesien auf:
"Das meiste ist in mir drin, tief drin, aber so voll, dass
es jederzeit offenbar wird. Mein Karren ist zu voll geladen, ich
muss an die Arbeit. Die große Jagd ist zu Ende."
Macke und Moilliet bleiben ein paar Tage länger. Sie stehen
am Kai, während Klee in Tunis die Capitaine Pereire ("ein
sehr mäßiges Schiff") besteigt, um zurück
nach Europa zu schippern: Eindrücke verarbeiten. Malen. Immer
wieder malen. Alles, was seit dieser Reise in seinem Kopf kreist.
Ein Leben lang. Knappe zwei Wochen in Tunesien haben ausgereicht,
um Kunstgeschichte zu schreiben. Das letzte, was er von Nordafrika
sieht, sind die Lichter von Sidi Bou Said auf einem Bergrücken.
Nicht mehr greifbar. Entrückt in der Ferne. Der Lichtkegel
des Leuchtturms winkt ihm hinterher. Noch sehr lange.
Die Schüler sollten versuchen,
einen einseitigen Gefühlsausdruck in die Bilder zu legen.
Die Ergebnisse:
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