Arbeiten nach Paul Klee

von Reinhard von Tümpling

Wesentliche Anregungen zum Klee-Thema verdanke ich meiner Kollegin Anja Wuttke:
herzlichsten Dank!

 

 

Die meisten gegenwärtigen Netzeinträge über Paul Klee sind Literaturangaben und Ausstellungsbesprechungen aus dem Nachlass. Sie zeigen die Wachheit, mit der Paul Klee und seine Werke als (u.a.) stellvertretender Schlüssel zur Gegenwart gesehen und auch repetiert werden. Die Geschichte Paul Klees ist eng mit dem furchtbaren Einschnitt des Nationalsozialismus verbunden, der in der kulturellen Präsenz Deutschlands im Fluss der Kunstgeschichte ein entsetzliches Loch hinterlassen hat. Dies um so mehr, als Klee in die Schweiz emigrieren konnte und insofern dem deutschen Sprachraum erhalten blieb.

http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/KleePaul/
eine kurze Biografie Paul Klees
http://www.ex-oriente-lux.de/nn/macke.htm
schildert etwas genauer August Macke - Klee wird eher am Rande gelassen
http://www.lenbachhaus.de/5_ausste/klee/m_info.htm
schildert Klees Verhältnis zu den Ereignissen 1933
http://www.koeln-bonn.de/pkg/paul_klee/fachbereich_kunst.html
reiche und ergiebige Seite, gut gepixelt
http://www.paulkleezentrum.ch/deutsch/221.html
verwaltet in Bern den Nachlass von Paul Klee
http://www.kunstmuseumbern.ch/content.cfm?menu=hig_pau
ist erheblich sparsamer mit Bildern von Klee
http://www.cosmopolis.ch/cosmo13/Klee.htm

Besser kommt man mit der Bilderfunktion von google.de zurecht. Ein hoch gepixeltes Bild ist aber keine Garantie für einen entsprechenden Eintrag.


Aktiv benutzte Literatur:

Reihe Abenteuer Kunst, Paul Klee, Prestel, ISBN 3-7913-1694-X, EUR 14,95 €,

Kreativer Kunstunterricht in der Sekundarstufe, Arbeiten mit Farben, Heyder/Morlock, Auer, 1999, ISBN 3-403-02613-2
., EUR 20,90, Seiten 27 und 150
und

Kreativer Kunstunterricht in der Sekundarstufe, Grafik, Druckgrafik, Heyder/Morlock, Auer, 1996, ISBN 3-403-02614-0, EUR 20,90, Seite 176.

Wer von den Kollegen Klee anders begegnen kann, möchte bitte zum Kunstkalender greifen:

Gallery Kunstkalender Tunisreise 2004, ISBN *3-7827-4031-9
, Euro 32,95.
Wer Paul Klee nach dem Bauhaus 1931-33 in Düsseldorf bis zur Emigration begreifen möchte oder muss, dem sei Paul Klee 1933 empfohlen, ISBN 3-88375-667-9, Euro 38.- Hatje Cantz.

 

 

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Im Zusammenhang mit fertigen Konzepten standen mir einige Ausmalbilder unterrichtlich zur Verfügung:

 


Klee_2.gif

 


Klee_4.gif

 


Klee_5.gif

 


Klee_6.gif

 


Klee_7.gif ist nachempfunden

 


Klee_y.jpg Hauptwege und Nebenwege, nachbearbeitet

Einige Abbildungen in guter Auflösung unter:

http://tigtail.org/TIG/M_View/TVM
/B/European/b.%20between%20wars
/French/klee/klee.html


hunter anderem auch
"Haupwege und Nebenwege"

 

 


Klee1H.gif

   

 



Ich habe den Text dem Künstlerlexikon der Digitalen Bibliothek entnommen und nachbearbeitet:
Klee, Paul, Kindlers Malerei-Lexikon, ISBN 3-89853-122-8, Directmedia Publishing GmbH Berlin

Klee, Paul
* 18.12.1879 in Münchenbuchsee bei Bern
† 29.6.1940 in Muralto bei Locarno

Paul Klee beeinflusste die Entwicklung der modernen Kunst entscheidend. Es ist unmöglich, seine Werke irgendeiner der konventionellen Kategorien einzuordnen, durch die man die Kunst des 20. Jahrhunderts begrifflich zu erfassen hofft.

Sein Werk gilt als konstruktiv, romantisch, lyrisch, primitiv, kindlich und analytisch.

Klees Vater als Deutscher war Musiklehrer, seine Mutter Schweizerin. Paul spielte ausgezeichnet Geige; sein ganzes Leben lang blieb er der Musik verbunden. Im Jahre 1898 ging Klee nach München, wo er zunächst die private Malschule Heinrich Knirrs besuchte; 1900 wurde er zur Akademie zugelassen.

Im selben Jahr trat er dort in die Klasse Franz von Stucks ein, der einen strengen, gründlichen Unterricht erteilte; dazu bemerkte Klee: "Stuckschüler zu sein, hatte einen guten Klang. In Wirklichkeit war es aber nicht halb so glänzend. Ich kam anstatt mit ganzem Verstand mit tausend Schmerzen und vielen Vorurteilen dahin. In der Farbe kam ich schwer vom Fleck. Da in meiner Beherrschung der Form der Gefühlston stark vorherrschte, suchte ich wenigstens hier möglichst zu profitieren. Und bei Stuck war hierin wirklich manches zu holen..."

1901 unternahm Klee mit dem Bildhauer Hermann Haller eine Reise nach Italien und kehrte nach 1902 Bern zurück.

Zwischen 1903 und 1905 entstand eine Serie von zehn radierten 'Inventionen'; sie sind grotesk, satirisch wie etwa die 1903 entstandene Jungfrau im Baum. Klee studierte Blätter Blakes und Goyas, dessen Schwarzweißtechnik ihn dazu reizte, 1905 als Radiergrund geschwärztes Glas zu verwenden.

Klee lebte zunächst bei seinen Eltern in Bern; 1906 heiratete er die Pianistin Lily Stumpf und siedelte nach München über. Damit begann ein neuer Abschnitt in seiner Kunst: Er wandte sich von der Strenge und Derbheit der 'Inventionen' ab. 1911 lernte er Alfred Kubin kennen; im Winter schloss er sich der Gruppe »Blauer Reiter« an, deren Mitgliedern Kandinsky, Marc und Macke er viele Anregungen verdankte.

Auf den Ausstellungen des »Blauen Reiters« 1911 und 1912 sah Klee Bilder Robert Delaunays, den er 1912 in Paris besuchte.

Im Januar 1913 erschien Klees Übersetzung von Delaunays Aufsatz »Über das Licht« in der Berliner Zeitschrift »Der Sturm«. Delaunays Experimente beeinflussten Klee
entscheidend, der damals anfing, sich mit Problemen der Farbe auseinanderzusetzen. In Paris sah Klee im Hause des Kritikers Wilhelm Uhde zahlreiche kubistische Gemälde, besonders von Picasso und Braque, die seine Einstellung zur Formgebung veränderten.

Auf Klees Reise nach Kairuan in Tunesien, die er mit Macke und Moilliet 1914 unternahm, vollzog sich eine Wende in seiner künstlerischen Entwicklung.

Trotz der kurzen Zeit vom 8. bis zum 19. April brachte diese Reise nach Tunesien dem Maler große Entwicklungen: er entdeckte den Eigenwert der Farbe.

Begierig nahm er die sinnlichen Reize von Licht, Farbe, Musik und abstrakten Zeichen auf. Am 16. April 1914 schrieb Klee in sein Tagebuch: »(...Das Licht...) Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiß. Die Farbe hat mich. Ich brauche nicht nach ihr zu haschen. Sie hat mich für immer, ich weiß das. Das ist der glücklichen Stunde Sinn: ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler.«

Klee reiste nach München zurück. Seine Erlebnisse gestaltete er in einer Anzahl von Aquarellen, deren bedeutendstes den Titel vor den Toren von Kairuan trägt: Hier wird die Erscheinungswelt in ein Rasterfeld übertragen, das seine Herkunft aus dem Bereich der technischen Darstellung nicht leugnet; vorwiegend ästhetische Erwägungen, wie Geschlossenheit des inneren Bildaufbaus oder der Farbharmonie, treten offensichtlich zugunsten einer vorbestehenden Ordnung zurück.

Klee verfolgte mit Interesse die Hauptrichtungen in der Malerei der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: zunächst den Kubismus, später Konstruktivismus und Surrealismus. 1914 war ein produktives Schaffensjahr, das jedoch von zwei Katastrophen überschattet wurde: Am 1. August brach der Erste Weltkrieg aus, und am 26. September fiel sein Freund August Macke. Der Freund Franz Marc fiel am 4. März 1916 vor Verdun.

In Klees Tagebuch von 1915 steht der Satz: "Je schreckensvoller diese Welt (wie gerade heute), desto abstrakter die Kunst." Wohl deshalb sind in seinen Werken zwischen 1915 und 1920 nur wenige Figuren zu finden. Darstellungen wie Landschaft mit Fahnen von 1915 und Unter schwarzem Stern (Basel) von 1918 zeigen, dass Klee die Bedrohung des Menschen durch vor-kritische, kosmische Mächte erkannte, die er in einer zeitentbundenen Zeichensprache von Formen und Farben zu beschwören und zu bannen suchte.

Die Mehrzahl von Klees Arbeiten aus den Jahren 1914-18 sind Aquarelle; 1919 begann er dann, mehr mit Ölfarben und verschiedenen anderen Materialien zu experimentieren: dabei verwendete er die außergewöhnlichsten und kühnsten selbst erfundenen und wohl überlegten Zusammenstellungen, die er genau dem Bilde anpasste, das er schaffen wollte.

1919 wurde Klees Name allmählich bekannt; 1920 erschien sein bereits 1918 begonnener Aufsatz »Schöpferische Konfession«, worin er schrieb: »Kunst gibt nicht das Sichtbare wieder, sondern macht sichtbar.«

1920 wurde Klee von Walter Gropius zum »Meister« an das Bauhaus berufen, das am 21. März 1919 in Weimar eröffnet worden war. Im Januar 1921 siedelte Klee dorthin über. Am Bauhaus verlebte Klee eine sehr glückliche und auch produktive Zeit; durch seine Kollegen erhielt er viele Anregungen, wobei sich sein Verhältnis zu Kandinsky als besonders fruchtbar erwies. Klee schuf Bilderserien aus gewissermaßen 'Paradoxen Perspektiven'.

Gleich den 'Paradoxen Perspektiven' zeigen auch die 'Magischen Quadrate', wie Klee das Raumproblem behandelte. Dieses Motiv kehrt seit 1922 in vielfältigen Variationen bis zu seinem Tode immer wieder. Wie schon bei vor den Toren von Kairuan liegt auch hier ein Rasterfeld zugrunde; häufig wird die Strenge der Koordinaten programmatisch durch ein aufsässig unregelmäßiges Element sowohl in Form als auch in Farbe gebrochen. Die Fläche verliert ihre Einheit durch Andeutungen von Perspektive und gewinnt damit an Leben.

1924 schrieb Klee die mehr poetische Betrachtung »Über die moderne Kunst«, worin er viele Einblicke in seine Schaffensmethoden und seinen Standpunkt als Künstler gewährt: »Lassen Sie mich ein Gleichnis gebrauchen, das Gleichnis vom Baum. Der Künstler hat sich mit dieser vielgestaltigen Welt befasst, und er hat sich, so wollen wir annehmen, in ihr einigermaßen zurechtgefunden; in aller Stille. Er ist so gut orientiert, dass er die Flucht der Erscheinungen und Erfahrungen zu ordnen vermag. Die Orientierung in den Dingen der Natur und des Lebens, diese vielverästelte und verzweigte Ordnung möchte ich dem Wurzelwerk des Baumes vergleichen. Von daher strömen dem Künstler die Säfte zu, um durch ihn und durch sein Auge hindurchzugehn. So steht er an der Stelle des Stammes. Bedrängt und bewegt von der Macht jenes Strömens, leitet er Erschautes weiter ins Werk. Wie die Baumkrone sich zeitlich und räumlich nach allen Seiten hin sichtbar entfaltet, so geht es auch mit dem Werk.«

1925 erschien das »Pädagogische Skizzenbuch«, das die Grundlagen seines Unterrichts mitteilt.

Er analysiert die primären Bildelemente, charakterisierte sie und zeigte ihre schöpferischen Möglichkeiten auf. Klees Vorlesungen am Bauhaus, einzigartige moderne Principia aesthetica aus Analyse und Diskurs, enthält »Das bildnerische Denken«:

Hier offenbart sich seine Stärke sowie eine konstruktivistische Gründlichkeit, die man kaum bei einem so grundsätzlich romantisch veranlagten Maler vermutet hätte.

In jenen Jahren bildete Klee zusammen mit Kandinsky, Feininger und Jawlensky die Gruppe »Blaue Vier«. 1925 wurde das Bauhaus-Institut nach Dessau verlegt. Ende 1928 fuhr Klee nach Ägypten; auch diese Reise in den Vorderen Orient brachte wichtige Anregungen für seine Kunst. Das Licht und die Sonne, die Denkmäler und ihre Dekorationen sowie die zugrunde liegenden Proportions- und Konstruktionsgesetze bewegten ihn lebhaft.

1930 begann er die Serie der sogenannten divisionistischen Bilder, wo die Farbe ähnlich dem Pointillismus in kleinen Farbtupfen aufgetragen wird. Wie die 'Magischen Quadrate' sind auch sie manchmal abstrakt, manchmal figurativ.

Die nun gespannte Atmosphäre am Bauhaus, die auf interne Veränderungen und auf den politischen Druck des anschwellenden Nationalsozialismus zurückging, bewog Klee, 1931 eine Professur an der Düsseldorfer Akademie anzunehmen. Der Abschied vom Bauhaus und von seinen Freunden, vor allem von Kandinsky, fiel Klee nicht leicht.

In Düsseldorf konnte er sich völlig auf den Malunterricht konzentrieren. Doch schon zwei Jahre später musste er neuerlich dem Druck der Nationalsozialisten weichen. Klee kehrte 1933 nach Bern zurück. Im Jahre 1935 machten sich die ersten Anzeichen seiner tödlichen Krankheit bemerkbar. Klees letzte und reifste Schaffensperiode begann 1937, als er sich immer mehr einem größeren Format zuwandte.

Manchmal wirken seine Bilder doppeldeutig oder leicht ironisch, was allzu leicht über die fürchterlichen Prophezeiungen von Katastrophen ungeahnten Ausmaßes hinweg täuscht - zumal der Formenapparat Klees auch heute noch häufig als »kindlich« missverstanden wird.

Klees Todesahnungen prägten eine Reihe von Engelsdarstellungen, unter denen Der Todesengel (Bern) von 1940 mit dem Totenkopf ähnlichen Gesicht und der düsteren, von bösen Vorahnungen bestimmten Farbskala hervorragt.

Paul Klee starb in Muralto bei Locarno an einem Hautleiden. Die Schweizer Staatsbürgerschaft, die ihm so viel bedeutet hätte, blieb ihm verweigert.

Kurz vor seinem Tode hatte die Kunsthalle Bern eine Ausstellung seiner Werke aus den Jahren 1935-40 veranstaltet; Klees Ansehen stieg seit seinem Tode immer mehr. Wegen seiner Bilder und Schriften gilt er heute als einer der bedeutendsten Künstler in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.


Wer Klee als Reisetourist versucht nachzuempfinden:

Eine Woche im 3-Sterne-Hotel "Amilcar" in Tunis-Carthago (1 km bis Sidi Bou Said) mit Halbpension und Flug ab München diesen Winter 2002 ab 309 Euro bei ITS-Reisen; eine Woche im Strandhotel "Riu Palace Oceana" in Hammamet mit Halbpension und Flug ab München ab 479 Ero bei TUI. Von dort aus werden Ausflüge unter anderem nach Kairouan angeboten.


Ein anderer Ansatz zum Verständnis Paul Klees bietet der folgende Artikel, den ich der "Süddeutschen Zeitung" (SZ vom 26.03.2002) im Reiseteil als Buchrezension entnommen habe:


Reiseliteratur:
Die Tunisreise: Klee, Macke, Moilliet. Hatje Cantz Verlag, ISBN 3-7757-0177-X, 25 €.

Steile kopfsteingepflasterte Gassen führen hinab in den siebten Himmel. Vorbei an schneeweißen und wie Schachteln übereinander gestapelten Häuschen mit hellblauen Türen und Fensterläden und gefliesten Innenhöfen, vom Leuchtturm hoch über dem Ort bis hinunter in die Altstadt von Sidi Bou Said: Dorthin, wo vor fast 90 Jahren August Macke, Paul Klee und Louis Moilliet gesessen, geträumt und vor allem aquarelliert haben. In ihren Skizzenblöcken hielten sie den arabischen Alltag fest, der an ihnen vorbei zog - all die orientalische Urtümlichkeit, die Farbenpracht, die Fremdheit hier vor den Toren der tunesischen Hauptstadt am Golf von Tunis. "Die Leibhaftigkeit des Märchens!" notierte Paul Klee in seinem Tagebuch. "Ich und die Farbe sind eins. Sie hat mich. Für immer!"

Blick über die Dächer
Jahre später sollte die Nordafrika-Fahrt der drei Maler als "Tunisreise" in die Kunstgeschichte eingehen. Die hier in den zwölf Tagen zwischen 7. und 19.April 1914 entstandenen Arbeiten hängen heute in bedeutenden Museen und Privatsammlungen moderner Kunst - die Werke der Tunisreise, die das Gespann erst nach Sidi Bou Said und Tunis, dann weiter nach Hammamet und Kairouan geführt hat. Allein August Macke hinterließ mehr als 100 Zeichnungen und fast vierzig Aquarelle von dieser Reise. Es war seine letzte, denn schon im September 1914 fiel er auf einem der Schlachtfelder des Ersten Weltkriegs. Seit Generationen hat Sidi Bou Said, heute ein Villenvorort von Tunis, Künstler angezogen - neben Macke und Klee auch Flaubert und Guy de Maupassant. Wenn die Sonne unterging, saßen sie auf der von Bougainvillea umrankten Terrasse des "Café des Nattes", genossen erfrischenden Pfefferminztee mit Pinienkernen, rauchten Wasserpfeife, blickten über die schneeweißen Dächer des Ortes hinweg Richtung Golf von Tunis und schickten ihre Gedanken auf Reisen. Sie hörten den Ruf des Muezzins der benachbarten Moschee.

"Allahu akbar" schallt es von dort heute genau wie 1914 vom Minarett, wenn die Sonne im Meer versinkt und das Land mit einem glutroten Schleier überzieht. Macke hat sie gemalt, das Bild "Blick auf die Moschee" genannt. Mit seinem Pinsel hat er die Stimmung festgehalten und in seinen Farben auch den Klang der Stimme des Muezzins für die Ewigkeit fixiert. Macke, Klee und Moilliet kamen mit dem Linienschiff Carthage aus Marseille. Sidi Bou Said war die erste Siedlung, die sie von Deck aus am Horizont sahen, der erste Eindruck von Afrika: "Ein Bergrücken, worauf streng rhythmisch weiße Hausformen wachsen. Nur noch nicht greifbar (...). Die farbige Klarheit am Lande verheißungsvoll", notiert Klee. Quartier beziehen die drei Reisegefährten im Privathaus des Schweizer Arztes Dr. Jäggi in Tunis, später in seinem Landhaus im heutigen Stadtviertel Ez Zahra, dem ehemaligen St. Germain. Als Dank für die Gastfreundschaft haben Macke und Klee ein Fresko auf die Wand des Esszimmers gemalt. Ob es erhalten ist? Wie es aussieht? Die Türglocke kann keine Fragen beantworten, und Menschen tauchen nicht auf.

Die Gassen von Sidi Bou Said sind noch immer mit Kopfstein gepflastert. Auch das Café scheint sich seit 1914 kaum verändert zu haben. Nur ist es inzwischen Anziehungspunkt der Tagesausflügler aus den Badeorten geworden, die auf den Spuren der "Tunisreise" durch den herausgeputzten maurischen Bilderbuch-Ort spazieren. Eine Stunde gewähren ihnen ihre Reiseleiter dafür, ehe der Bus weiter rollt Richtung Carthago, anschließend zum Bardo-Museum, danach zur Medina von Tunis. Am schönsten ist es in Sidi Bou Said nach Sonnenuntergang, wenn es leer geworden ist in den Gassen. Wenn die Tour-Busse wieder zurück in die Mittelmeer-Badeorte gefahren sind. Dann, wenn wieder alles so ist wie zu Beginn des vorigen Jahrhunderts. Wenn alle wieder Zeit zum Plausch haben. "Die Stadt liegt so schön da oben und blickt weit ins Meer, das hoch aufatmend mit uns hinaufsteigt", hält Klee seine Eindrücke im Tagebuch fest.

In Sichtweite hat der tunesische Präsident seinen Palast von Carthago. An derselben Stelle residierten vor ihm Punier und Römer. Nur ein kleiner Teil der Ruinen dieser einstigen Weltstadt ist ausgegraben worden - darunter ein Amphietheater und die direkt an den Präsidentenpalast grenzenden Ruinen der Antoninus-Pius-Thermen. Wo man weitergraben könnte, wird die Vergangenheit gerade mit Stahlbeton versiegelt: Bauarbeiten für die größte Moschee des Landes, die einmal an Präsident Ben Ali erinnern wird. Er hat sie seinem Volk versprochen und lässt sie in Fußwegentfernung der antiken Thermen von Carthago errichten. In Sichtweite der Baustelle ragen die Säulen punischer Bauten aus dem Boden. In der Nacht ihrer Ankunft zog es die drei Maler in die Medina von Tunis. Dr.Jäggi führte sie durch das Labyrinth: "Ein Spaziergang durch die nächtliche Araberstadt. Materie und Traum zu gleicher Zeit", philosophiert Klee. Bei Tageslicht kehren sie zurück: "Den Kopf voll von den nächtlichen Eindrücken des gestrigen Abends. Kunst - Natur - Ich. Sofort ans Werk gegangen und im Araberviertel Aquarell gemalt (...). Tunis ist erstens arabisch, zweitens italienisch und erst drittens französisch."

Macke kann der Farbenfülle des Basars am wenigsten widerstehen, stürzt sich ins Getümmel, kauft ein. Er habe den "Reiz des Geldausgebens" gelobt, vertraut Klee später etwas verächtlich seinem Tagebuch an. Ob Macke in seinem Spaß am Geldausgeben einen der farbintensiven Teppiche erstanden hat, einen Kupferteller mit fein ziseliertem Muster? Oder Töpferwaren? Ein Plüsch- Kamel mit bedruckter Bauchbinde und dem Text "J'aime la Tunisie" - Ich liebe Tunesien? Paul Klees Tagebuch schweigt darüber. Süßlich riecht es in den Altstadtgassen rund um die Hauptmoschee Jama ez Zitouna, nach Weihrauch und Wasserpfeife, nach gefüllten Dattelpralinen und Schmalzgebackenem mit Zuckerkruste, nach 1001 Parfumdüften aus zahllosen Flakons. Das Aroma der Träume.

Disneyland Hammamet
Verschleierte Frauen huschen vorbei, dahinter selbstbewusste junge Tunesierinnen in engen Jeans. Noch hocken Tauben im Innenhof der Hauptmoschee ungestört und in solchen Scharen wie sonst nur auf dem Markusplatz von Venedig. In weniger als einer Stunde werden hier die Gläubigen wieder zum Gebet zusammen kommen. Wenn die Sonne am Horizont versunken ist, wird der Muezzin sie rufen. Lautsprecher verstärkt wird sein Gesang wie ein Fliegender Teppich über die Dächer der Medina rauschen. So ähnlich dürfte sich 1914 auch die Medina von Hammamet gegeben haben. Heute ist sie ein Orient- Disneyland, dessen Mauern echt sind, dessen Mauernischen aber längst mit Allerweltssouvenirs in austauschbaren Geschäften gefüllt sind. Die Gassen sind verstopft mit Europäern, und alle Sprachen hört man hier - nur eine kaum noch: die arabische. Ein Hinweisschild am Eingangsportal weist mehrsprachig den ohnehin unübersehbaren Weg in die hoch ummauerte Altstadt: "Zur Medina" steht dort auch auf Deutsch. "Die Stadt ist fabelhaft, am Meer gelegen, winklig und rechtwinklig und wieder winklig. Dann und wann von der Ringmauer ein Blick. (...) Ich versuche zu malen (...). Ein Rhythmus für immer (...). Hohe Oboentöne und Tamburinklänge locken zum Schlangenbeschwörer und zum Skorpionfresser: Ein entzückendes Theater auf der Straße. Der Esel sieht auch zu."

Klee ist begeistert vom Hammamet des Jahres 1914. Kein Wunder, das im Zeitalter der Farbfotos und des großen Tourismus' zuerst dieses Dorf in die bunten Katalogen für die Urlaubshungrigen aus dem Norden Einzug gehalten hat. Kein Wunder, dass das verschlafene Hammamet des Jahres 1914 heute die Hochburg des tunesischen Badetourismus geworden ist. Mehr als 50000 Gästebetten gibt es dort inzwischen. Frühmorgens um sechs sind die drei Maler seinerzeit in Tunis aufgebrochen und die weniger als 100 Kilometer bis Hammamet mit dem Zug gefahren: "Man kommt nur langsam vorwärts. Aber was macht das? (.. .) In allen Hecken singen Vögel. Wir blicken in einen Garten, wo ein Dromedar an der Zisterne arbeitet. Das ist ganz biblisch." Nach nur einer Nacht packen sie ihre Aquarellfarben und Staffeleien wieder ein und ziehen weiter Richtung Kairouan - erst zu Fuß, dann mit dem Zug.

Nach Mekka, Medina und Jerusalem ist Kairouan die vierte Heilige Stadt des Islam, die höchstrangige Pilgerstätte der Moslems in Afrika. Wer siebenmal zum Geburtstag des Propheten Mohammed nach Kairouan pilgert, wiegt damit eine "Hadsch" nach Mekka auf - sagt zumindest der Volksmund. Einer Legende zufolge sollen stets 500 Heilige unter den Bewohnern Kairouans sein, die sich zu Lebzeiten nicht selbst als solche ausgäben, sondern durch ihre innere Ruhe und ihre Wohltaten zu erkennen seien. Gedanken zucken durch den Kopf. Wie mögen diese Heiligen aussehen? Wer mag einer sein? Der Händler dort, der gerade Kaktusfeigen abwiegt? Der hilfsbereite Junge? Vielleicht der fröstelnde Alte mit dem schütteren Haar? Die drei Männer mit den Malutensilien lassen die Fremdheit der Heiligen Stadt auf sich wirken, ehe sie sich in die engen Gassen der Medina wagen: "Teedurst wird (erst) ausgiebig gestillt, um die Entdeckung des Wunders Kairouan (danach) würdig durchzuführen."

Nun streift Klee die Rolle des übergeordneten Erzählers, des unbeteiligten Beobachters ab, auf die er sich bei seinen Tagebucheinträgen bis dato immer wieder zurück gezogen hat: "Tausendundeine Nacht als Extrakt mit neunundneunzig Prozent Wirklichkeitsgehalt. Welch ein Aroma, wie durchdringend, wie berauschend, wie klärend zugleich." Und endlich hat auch ihn im Basar der Kaufrausch gepackt: "Wir kaufen plündernd." Sie erstehen Aquarelle tunesischer Künstler. Diesmal verrät er es. Klee fühlte sich in der Fremdheit zuhause, schrieb sich die Frage ins Tagebuch, ob dies die Heimat sei und blieb dort die Antwort schuldig. "Ja" oder "Nein" schrieb er nicht, aber seine Bilder beantworten diese rhetorische Frage an sein Innerstes. Sie antworten "Ja". Sie flüstern es nicht. Sie rufen es laut heraus. Jeder soll es hören, jeder in ihren Farben und Formen lesen. Kairouan ist eine Gründung des arabischen Heerführers Sidi Oqba Ibn Nafi aus dem Jahr 671.

Heute verfügt die Stadt über die am besten erhaltene arabische Altstadt Tunesiens. Sie ist von der Unesco in den Rang eines schützens- und erhaltenswerten "Weltkulturerbes der Menschheit" erhoben worden. Die sechs Kuppeln über dem Gebetssaal der Sidi Oqba-Moschee werden von 414 Säulen mit antiken Kapitellen getragen. Die Baumeister ließen diese Säulen aus weißem und rotem Marmor aus den römischen Ruinen überall im Lande herausbrechen und hierherschaffen. Der Großteil davon stammt aus Carthago - die Antike als Steinbruch für eine neue Welt unterm Halbmond. Kühl ist es hier im Schatten der dicken Mauern. Und am Morgen wunderbar still. Leise Schritte, Murmeln, Tuscheln, respektvoll auf Flüsterlautstärke reduzierte Unterhaltungen. Aus Klee bricht immer wieder die Begeisterung heraus: "Es dringt so tief und mild in mich hinein, ich fühle das und werde so sicher, ohne Fleiß. Die Farbe hat mich (...). Sie hat mich für immer (...). Das ist der glücklichsten Stunde Sinn: Ich und die Farbe sind eins. Ich bin Maler." In den Straßen der Souks von Kairouan duftet es nach mit Rosenöl parfümiertem Kaffee, nach süßem Gebäck, nach in heißem Fett gebackenen Köstlichkeiten, dann nach frischem Obst, irgendwann nach Tabak.

Ganz Auge
In den Hinterhofbäckereien links und rechts der Gassen entsteht, wofür Kairouan bekannt ist - "Makrout", kleine Griesteigkügelchen, die mit Dattelmus gefüllt sind. Klee hält der Fülle der Eindrücke nicht mehr Stand, ist überglücklich, vollgesogen mit Impressionen, reist vorzeitig ab, will allein sein - nicht aus Abneigung gegen diese Stadt, sondern aus Nähe zu ihr: "Es war zu stark, was ich erlebte. Und fort musste ich auch, mich zu besinnen." Nach nur zwei Nächten in Kairouan setzt er sich in den Zug nach Tunis und vertraut dem Tagebuch an: "Ich bin ganz Auge." Nur zwei weitere Tage hält er sich noch in Tunesien auf: "Das meiste ist in mir drin, tief drin, aber so voll, dass es jederzeit offenbar wird. Mein Karren ist zu voll geladen, ich muss an die Arbeit. Die große Jagd ist zu Ende."

Macke und Moilliet bleiben ein paar Tage länger. Sie stehen am Kai, während Klee in Tunis die Capitaine Pereire ("ein sehr mäßiges Schiff") besteigt, um zurück nach Europa zu schippern: Eindrücke verarbeiten. Malen. Immer wieder malen. Alles, was seit dieser Reise in seinem Kopf kreist. Ein Leben lang. Knappe zwei Wochen in Tunesien haben ausgereicht, um Kunstgeschichte zu schreiben. Das letzte, was er von Nordafrika sieht, sind die Lichter von Sidi Bou Said auf einem Bergrücken. Nicht mehr greifbar. Entrückt in der Ferne. Der Lichtkegel des Leuchtturms winkt ihm hinterher. Noch sehr lange.


Die Schüler sollten versuchen, einen einseitigen Gefühlsausdruck in die Bilder zu legen.

Die Ergebnisse:


Klee_10.jpg 2 Köpfe


Klee_11.jpg 4 Köpfe


Klee_12.jpg 2 kleine blaue Engel

Klee_14.jpg zeigt einen zornigen Kopf

Klee_16.jpg vier zornige Köpfe

 

 

 


Nachbemerkungen:

Ich habe Paul Klee am näher kommenden Schuljahresende durchgenommen. Das Denken der Schüler kreist mittlerweile auch um andere Dinge, die Tage werden im Frühling länger und die praktischen Prüfungen werden in wenigen Tagen beginnen. Ob da noch Raum bleibt für Klees lyrischen Expressionismus und seine Umsetzung von paradoxer Perspektive zugunsten eines dekorativen Elements im Geiste des Bauhauses?

Die Schüler haben mehr oder minder erfolgreich die Parallelprojektion und die Fluchtpunktperspektive erlernt. Es hätte nur wenig Sinn gemacht, bei vorhandenen Strukturen das tiefer liegende Konzept des Menschen Paul Klee zu vermitteln, das Leitziel liegt auf der Vermittlung von Tendenzen der Gegenwart.

 

Reinhard von Tümpling, 2003