Hammershoi
von Reinhard von Tümpling
Meine treue Freundin ERS stellte mir diesen Künstler zur Nachbearbeitung und Sinndeutung vor und gab mir dieses Thema auf, denn ich bat sie um eine weiter leitende Tendenz. Der übersandte Shortcut dazu war für mich vom Standpunkt der formalen Kunstkritik her sicher mit einer feuilletonistische Eleganz geschrieben, die seinem kalten Raum entspricht und die mich aber als schwer zurückschrecken liess. Ich deutete seine Bilder, die ich unter Wikipedia und youtube ansehen konnte, nicht nur als raumbestimmende und atmosphärische Sachschilderung, sondern auch als Ausdruck des sachlich und kalt gewordenen Abstands, der die Dinge des Innenlebens so sein lässt und den Betrachter eher auffordert, etwas zu tun, sie zu beleben, um mit ihnen etwas zu machen und in Besitz zu nehmen. Stets fordern die Bilder aber auch zu Geduld auf, um dem Gefühl Zeit zu lassen, nachzukommen.
Es wird gesagt, dass Vilhelm Hammershois Vorfahren aus dieser Gegend stammen. Hammershoi ist ein Zeitgenosse und Künstlerkollege von Carl Vilhelm Holsoe, der in der dänischen Wikipedia aufgestellt ist. Holsoe ist erheblich weicher im Pinselstrich, aber auch barocker.
Ilstedt, der sich durch Arbeiten in Mezzotinto auszeichnete, und Hammershoi galten zu ihrer Zeit als die führenden Künstler Dänemarks. Ebenso wie Jan Vermeer wurden insgeamt die Arbeiten von Hammershoi, Holsoe und Ilstedt weit über den dänischen Raum hinaus bis England und in die USA hinein bekannt.
Die Themenbereiche der stillen Innenansichten sind vergleichbar.
ich habe diesen kalten und sachlichen Link sehr unzufrieden und nur als reflektiven Aspekt eingefügt und merkte, dass ich nicht der Sache gerecht geworden wäre. Ich war aber auch lange Zeit versucht, einen halb wissenschaftlichen Artikel eines Buches gekürzt und dennoch sinngleich abzuschreiben und ließ es dann wieder, weil dann wieder die menschliche und künstlerische Dimension von Hammershois Werk angegriffen und anders betrachtbar wäre. Die Menschen lebten in Dänemark zu Hammershois Zeit sicher anders, aber der Vergleich zur Gegenwart ist möglich.
Wenn man unter Bilder-Google-groß sucht, kommen seine Bilder sehr gut zum Vorschein. Es sind aber nur die, die man stellvertretend zur Veröffentlichung frei gab.
Um die Stimmung und Ruhe ansatzweise in der Stilform des europaweit bestimmernden Symbolismus und in der erstarrenden symbolisierenden Sehweise zu erleben, muss man morgens noch vor der ersten Dämmerung ans Fenster treten, sich die Schatten der Dinge draußen beiseite denken, Nähe und Ferne neu abschätzen und vorsichtig dem Gefühl des Raumes mit den ersten Vögeln lauschen. Der Zeitungsjunge war da. Straßenlaternen erahnen sich anders, das Morgenlicht kommt unmerklich über den Kamm der Berge gekrochen oder bildet die Umrisse der Stadt mit ihren Dächern ahnungsvoll ab. Wer einen gesunden tiefen Schlaf hat und nicht von fremden Tageseindrücken verstört ist und vom Wecker in den hellen Tag hinein wach wird, kann es nur schwer nachfühlen. Wenn aber jemand wie Hammershoi morgens ans Fenster tritt und jedesmal Schloss Christiansborg auf der andere Seite des Kanals sieht, muss er sich zwangsläufig damit auseinander setzen, was diese Gebäudegruppen im milden Morgenlicht und Nebeldunst dem Betrachter abverlangen.
Vilhelms verwendete Farben sind Braun, Grau bis Weiss, Blau, und ein sehr vorsichtig verwendetes Schwarz. Sehr wenig Gelb verwendet er, nur um diskreteste Glanzlicher zu setzen
Hilfreich ist auch die Kenntnis von
Die Berliner Zeitung schreibt im Juni 2003 Werkschau des Symbolisten Vilhelm Hammershøi in der Hamburger Kunsthalle Nikolaus Bernau
Seelensuche
„Die Zeit online“ schreibt
Vilhelm Hammershøi
Ich kopiere hier einen Text der Hamburger Kunsthalle zur Biografie von Vilhelm Hammershoi ein und veränderte ihn etwas; Verfasser ist Felix Krämer. Biographie Vilhelm Hammershøi
Im Juni Verlobung mit Ida Ilsted (1869-1949).
Einer der wichtigsten französischen Kunstkritiker und Sammler, Théodore Duret, besucht Kopenhagen und zeigt sich begeistert über Vilhelm Hammershøis Arbeiten.
Hammershøi besucht Duret, der ihn an den Kunsthändler Durand-Ruel empfiehlt. Durand-Ruel läßt das Portrait von Ida Ilsted – nachdem es neben sechs weiteren Bildern in der Münchner Jahresausstellung gezeigt wurde – nach Paris kommen und stellt es in seiner Galerie aus.
Heimkehr nach Kopenhagen im Mai. Dort am 15. September Umzug in eine Wohnung in der ersten Etage der Strandgade 30 im Stadtteil Christianshavn. Die Wohnung gewinnt eine große Bedeutung für Hammershøis Werk: Die meisten seiner Interieurdarstellungen entstehen dort.
Rückreise über Neapel mit Besuchen in Paestum und Salerno. Fünf Portraits werden auf der Biennale in Venedig ausgestellt.
Nach einem Besuch dieser Ausstellung beginnt sich Rilke für das Werk von Hammershøi zu interessieren. Er fährt deshalb nach Kopenhagen, um dort Anfang Dezember den Maler zu treffen, über den er einen Essay schreiben will. Ein Vorhaben, das Rilke nicht verwirklicht. Fünf Portraits wird in der Neunten Kunstausstellung der Berliner Secession gezeigt.
Das mir zugängliche Werk von Hammershoi ist nicht leicht zu bewerten und ich kann nur schwer damit umgehen. Sein Abbilde-Schwerpunkt liegt sicher auf den Innenansichten der bewohnten und benutzten Zimmer und der Beobachtung des wandernden Tageslichtes, das durch die großen Sprossenfenster fällt und stilles Leben anzeigt. Einen ganz erheblichen Eindruck hinterlassen aber seine Zimmerfluchten, die weit mehr als nur eine perspektivische Ansicht darstellen, sondern bestimmende Alltagsblicke zwingend jeden Tag wiederholen. Das ganze Leben einer Familie wird in diesen konzentrierten Zimmeransichten eingefroren und verdichtet abgebildet. Ich suchte nach der Rolle der Frauen in dieser Familie. Die Mutter wird als direktes Gesicht ausgeblendet, dafür die junge Schwester heiter und erwartungsfroh aufscheinend, fast etwas lieblich wie bei Renoir und dennoch ernst. Vilhelm schildert seine Frau mit einem direkten hellen Portrait, aber im Gegensatz zu einer dunklen auch im Bild befindliche Rückenansicht, die wohl wahrscheinlich seine Mutter darstellt. Es zeigt ein stilles, geduldiges und junges Gesicht, das die Augen etwas gesenkt hält. Stolz schimmert der Ehering als kleiner Lichtpunkt und das Gesicht ist noch unverstellt und ungezeichnet. Das Bildnis von 1899 mit der Kaffeetasse und dem runden Tisch scheint dazu zu nachgeglättet und maskenhaft.
Aber alle anderen Ansichten zeigen die schlanke Ida nur von hinten, weniger im Halbprofil, immer mit hoch gebundenem Haar, immer mit einer leichten ausgleichenden Verkrümmung der Wirbelsäule und etwas in der Hand haltend und eine leichte sparsame Bewegung andeutend, das Kleid hoch geschlossen und den Nacken frei. Dieser freie Nacken fällt auf, er ist der belebende Mittelpunkt des Bildes und jedesmal ist man versucht, zu Ida etwas zu sagen, damit ein Schimmer von Leben in sie hinein kommt und sie sich erschreckt verrät.
Ich habe versucht, Hammershois Ansichten auch als die Beschäftigung mit der Perspektive zu deuten, denn viele seiner Bilder sind in die Ebene geklappt und zwingen den Blick zurück an die ebenflächige Wand. Auch das riesige Jugendstil-Sofa bekommt fast den Ausdruck eines Kleinmöbels, weil Vilhelm seinen Betrachter- und Augenpunkt mit der Staffelei auf Sitzhöhe bringt und so fast auf raumbestimmende Tiefenlinien verzichten kann. Den stehenden Betrachter-Augenpunkt bietet Vilhelm nur an, wenn ein kleines Möbelstück nicht sehr raumgreifend an den Rand gerückt die einzuschätzende Größe von Wänden bestimmt. Aber auch Carl Holsøe bietet diese ruhigen Innen- und Durchsichten mit Interior und sitzender Dame. Holsøe bietet aber auch eine Dame, die Treppe hinab steigend und Hammershoi Treppenhausansichten in die Tiefe hinein; beide Künstler beschäftigten sich sehr wohl mit der Bewegung und einer geschraubten Drehansicht den Raum hinab.
Dürer schafft eine tiefer gestaffelte Zimmerflucht mit einem gleichsam in S-Form zu durchwandernden Zimmer und im Gegensatz klappt Hammerhoi in die Fläche zurück.
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Um diesen Gegensatz deutlich ausgeprägt zu schildern, habe ich eine Lichtstudie von Vilhelm als durchzuarbeitendes Bespiel genommen und schildere diese Veränderungen stufenweise mit meinen grafischen Mitteln des Arbeitsblattes oder der Kopier- bzw. Tischvorlage.
Diese Blätter bieten eine Grundlage für viele mögliche Licht- und Schattenstudien.
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Reinhard von Tümpling, im Mai 2010 |