Was ist Abstrakt?
Ein Versuch über einen Schlüsselbegriff und Mythos der Moderne

Uli Schuster

In den beiden ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts vollziehen die bildenden Künste, und allen voran die Malerei,einen radikalen Wandel, dessen Resultate in der Literatur, mehr aber noch im 'Volksmund' mit dem Begriff >Abstrakt< etikettiert wird.
"Nach einer langen Kulturentwicklung ist in der Malerei die Einsicht gereift, daß das Abstrakte - als das Universale - zu klarer Gestaltung gebracht werden kann....die neue Malerei kam durch sich selbst zu der bestimmten Darstellung des Universalen, das sich verschleiernd verborgen in der natürlichen Erscheinung der Dinge offenbart. Durch die Malerei selbst kam der Künstler zu der bewußten Erkenntnis...., daß die Erscheinung des Universalen-als-des Mathematischen das Wesentliche alles rein ästhetischen, gestaltenden Schönheitsempfindens ist....Er lernte es, dasjenige exakt zu gestalten, was in der Natur nur durchschimmert, reduzierend zu vernichten, was konkret in Erscheinung tritt, und zog dabei nur die Konsequenz aus den allgemein gültigen Kunstbegriffen. So gelangte unsere Zeit zu der abstrakt-realen Malerei." (Piet Mondrian, 1918)
Wesentliche Züge des sich vollziehenden Prozesses sind
  • Ein wachsender Abstand der Malerei vom literarischen "Thema"
  • Ein wachsendes Desinteresse an der erscheinungsrichtigen Abbildung von Gegenständen.
  • Eine wachsende Lust an der Deformation, Disproportion, Formauflösung bei der Darstellung von Dingen und Lebewesen.
  • Eine steigende Tendenz zur Übersteigerung bis Verselbständigung von Farbe und Geometrie
  • Eine Hinwendung zu Theoremen von musikalischen Harmonielehren, wie "Klang", "Ton", "Akkord", "Rhythmus", "Komposition
  • Der Versuch, die Hinwendung zur Abstraktion zu legitimieren als einen Gewinn an "Geistigem", an höherer "Wahrheit", als Durchbruch zum "Eigentlichen" der Malerei (reine Malerei).
  • Eine wachsende Tendenz der Künstler, die Geschichtsschreibung über Kunst selbst in die Hand zu nehmen durch schriftliche Programme, Manifeste, autobiografische Darstellungen. 
Kandinsky (1866-1944)
links: "erstes abstraktes Aquarell" von 1910?, 50 x 65 cm                  rechts: "Komposition VII" von 1913, 200 x 300 cm

Anders als viele seiner Aquarelle aus jener Zeit ist dieses mit vollem Namen und Datum versehen. Durch die Unterschrift wird auch klar, wo unten und oben im Bild ist. Seiner eigenen Definition gemäß wäre dies eine "Improvisation".

"Und plötzlich, zum ersten Mal, sah ich ein Bild. Daß es ein Heuhaufen war, belehrte mich der Katalog. Erkennen konnte ich ihn nicht". Für Kandinsky wurde die Begegenung mit einem Bild Monets nach seiner eigenen Schilderung zu einem Schlüsselerlebnis, das ihm selbst den Weg zur Abstraktion wies.

Der erste? Maler, der einen radikalen Schlußstrich zieht zur abbildenen Funktion der Malerei, scheint Wassily Kandinsky gewesen zu sein. Das >erste< ist deshalb mit einem Fragezeichen versehen, weil sich schon bald darüber ein Streit erhob, wer diesen Platz in der Kunstgeschichte beanspruchen konnte, und Künstler wie Kandinsky und Malewitsch auch im Ruf stehen, ihrer Biografie in diesem Punkt ein wenig nachgeholfen zu haben. Kandinsky leitet seine Abstraktion nicht vom Kubismus ab, sondern versteht sich selbst auf einem "antigeometrischen, antilogischen Weg". Sein 'Thema' ist das Drama der reinen Farbe, die er mit seiner Malerei 'befreien' will. Das Aquarell von 1910 aus seiner Hand betitelte er selbst als "Erstes abstraktes Aquarell". Allerdings vollzieht Kandinsky diesen Schritt durchaus nicht radikal und endgültig. Viele seiner Arbeiten um 1910 und auch noch später, haben noch gegenständliche Anklänge und erzählerische Titel ("Kirche in Murnau" oder "Pastorale"), wenn es auch bei manchen Bildern Mühe macht, die Bildgegenstände zu identifizieren. Kandinsky unterscheidet in seinem Werk seit 1910 drei Bildsorten: 
"1. direkter Eindruck von der "äußeren Natur", welcher in einer zeichnerisch-malerischen Form zum Ausdruck kommt.Diese Bilder nenne ich "Impressionen";
2. hauptsächlich unbewußte, größtenteils plötzlich entstandene Ausdrücke der Vorgänge inneren Charakters, also Eindrücke von der "inneren Natur". Diese Art nenne ich "Improvisationen";
3. auf ähnliche Art (aber ganz besonders langsam) sich in mir bildende Ausdrücke, welche lange und beinahe pedantisch nach den ersten Entwürfen von mir geprüft und ausgearbeitet werden. Diese Art Bilder nenne ich "Komposition"."
(Über das Geistige in der Kunst" erschienen 1952, Manuskript 1910)
Vorstudien zu Komposition VII
 
 
 
Kandinsky fertigte für das große Bild "Komposition VII" 35 Studien an und ließ den Zustand an jedem Tag in Fotos festhalten. Ursprünglich liegt dem Bild, an dem er vier Tage arbeitete, angeblich eine Assoziation zum Jüngsten Gericht zugrunde. Die obere der drei Studien gibt einen identifizierbaren Ausschnitt aus der Gesamtanlage wieder, bei den beiden anderen kann ich keinen Zusammenhang erkennen.
"Bei dem Schritt, gänzlich auf Anleihen bei sichtbaren Dingen zu verzichten, erfuhr Kandinsky Unterstützung von ungewöhnlicher Seite. Wo er vom Rückgriff auf vermeintliche "innere Erlebnisse" spricht, über die das Geitige in seine Bilder gelangt sein sollte, verraten recht äußerliche Quellen die Herkunft der Darstellungen...Das Buch ("Gedankenformen")  der englischern Autoren A. Besant und C.W. Leadbeater kam 1908 in deutscher Übersetzung heraus. Kandinsky besaß eine eigene Ausgabe. In den 57 farbigen Abbildungen verfügte er zumindest über Muster, die den Schritt zur Abstraktion längst vollzogen hatten, wenn auch nicht als Kunst."
(Stefan Heidenreich, "Was verspricht die Kunst? 1998, S.114)
Mondrian (1872-1944)
"Kunst steht dort, wo ehemals Gottesdienst stand"(Mondrian)
"Mondrian suchte nach einer universalen, überpersönlichen Kunst: nach der reinen Kunst, die nicht mehr an ein Künstlerindividuum gebunden war. Und doch blieb seine Kunst, glücklicherweise, strikt persönlich. Hunderte malende Mondrians wären ein Alptraum..."
(Hans Belting, Das unsichtbnare Meisterwerk, 1998, S.354)

Der Niederländer Piet Mondrian malt 1908 noch Bilder, die vom Impressionismus und Symbolismus geprägt sind.

1912 lernt er in Paris den Kubismus kennen und radikalisiert daraufhin seine bereits deutlich geometrisierte Malerei auf Linien und Farbflächen. Er begrenzt seine Palette radikal, seine Bilder heißen dann "Komposition Nr..." und enthalten seit den 20er Jahren nur noch horizontale und Vertikale Linien und Weiß/Schwarz sowie die Primärfarben Gelb/Rot/Blau. Damit scheint er sein Thema gefunden zu haben, das er nun mit wenigen Ausnahmen bis knapp vor seinem Lebensende (1944) variiert. Mondrian gründet 1917 mit van Doesburg die sog. "De Stijl-Bewegung" um die gleichnamige Zeitschrift, die beide Maler zu einer theoretischen Plattform für ihren "Neoplastizismus" ausbauen und dabei auch den Begriff der "Konkreten Kunst" einführen, womit der Vorgang der Abstraktion und damit der Ausgangspunkt vom gegenständlichen Motiv aus dem Diskurs genommen wird. Die oft gestellte Frage: "Was soll das darstellen" ist damit endgültig beantwortet. Das Bild stell nur noch sich selbst dar.
Mondrians reduktionistische Malerei, eine asketische Haltung und ein alles durchdringender Spiritualismus haben tiefgreifende Wirkungen auf die Malerei weit über seinen Tod hinaus hinterlassen. 
Über ein Jahrzehnt hinweg läßt sich ein Weg der Abstraktion aus seinen Bildern konstruieren, der scheinbar linear auf ein unvermeidliches Ziel hinstrebt. Solche klaren Entwicklungslinien liebt die Kunstgeschichte und das mag auch den Ruhm von Mondrian ausmachen. 
Der graue Baum von 1911 greift ein Motiv von 1908 wieder auf. Die spiegelverkehrte Darstellung läßt ahnen, daß beim zweiten Anlauf nicht mehr die Natur das Vorbild war. Abstraktion erscheint als eine Art Bildbearbeitung, Filterung, Variation, wie sie noch deutlicher als bei Mondrian immer wieder bei Picasso nachweisbar ist.

In einem weiteren Schritt verselbständigt sich das entstandene System aus Linien und Flächen zu einer rhythmischen Komposition, bei der nur noch der Titel den Hinweis auf ein abgebildetes Objekt gibt. Vom ursprünglichen Baum bleibt eine im Zentrum betonte grafische Struktur. Im Dertail ist nicht mehr nachvollziehbar, welche Entscheidungen zu einer bestimmten Linie oder Teilfläche geführt haben. Andererseits entsteht eine kompositionelle Ordnung, die allgemeine Anklänge über ein aufstrebendes Wachstum und die 'Architektur' einer Baumkrone noch enthält, ohne daß der Betrachter noch notwendigerweise die Assoziation Apfelbaum haben muß.

Die Komposition von 1913 zeigt schließlich, wohin ein derartiger Prozeß führen kann, mit mathematischer Wahrscheinlichkeit sogar führen muß. Wer nach dem Prinzip der Ausbreitung von Richtungen im Raum oder auf der Fläche sucht, muß irgendwann zwangsläufig das in der Mathematik längst bekannte System der Koordinaten nacherfinden. Wer nach dem Prinzip der Vielfalt von Farben sucht, muß irgendwann zwangsläufig das in der Physik längst bekannte System von Urfarben und Primärfarben nacherfinden. So ist Mondrians Weg einerseits logisch und nachvollziehbar, andererseits auch wenig überraschend. Erstaunlich bleibt für mich, daß er dazu so lange braucht.

Verglichen mit dem kunstgeschichtlichen Weg der Reduktion ist Mondrian auf halber Wegstrecke stehen geblieben. Seine letzten Jahre in New York haben ihn sogar zu 'Rückschritten' veranlaßt. Die letzten Bilder "Boogie-Woogie von 1943/44 verlassen die strenge Klarheit zugunsten einer höheren Komplexität und differenzierteren Farbigkeit.

Alle Bilder in Öl auf Leinwand, alle Maße in cm

 
"Abend" von 1908, 70 x 99 cm;
"Grauer Baum" von 1911, 78 x 107 
"Blühender Apfelbaum" von 1912
"Komposition" von 1913, 88 x 115 
"Komposition" von 1921, 49 x 41 
Malewitsch (1878-1935)
"Denn die Kunst kann nur sich selbst zum Inhalt haben" (Malewitsch 1922)

links: "Schwarzes Quadrat" von 1915, 1913, 1923-29
Öl/Leinwand, 106x 106 cm
 
 
 
 

rechts: Suprematismus von 1916-17
Öl/Leinwand, 80 x 80 cm
 

Der Russe Kasimir Malewitsch entwickelt etwa seit 1910 unter dem Einfluß von Kubismus und Futurismus eine abstrakte Malerei, die sich auf geometrische Grundformen beschränkt. Mit seinem Bild "Schwarzes Quadrat auf weißem Grund" liefert er 1915 in einer Ausstellung in Petersburg eine Ikone der gegenstandslosen, "absoluten Malerei". 
Malewitsch arbeitete zielgerichtet am Mythos seiner absoluten Malerei, indem er ähnlich wie Kandinsy sein "erstes abstraktes Aquarell" das "Schwarze Quadrat" zum Ursprung und zur "Erstgeburt" seines Suprematismus erhob. In Wirklichkeit hat er schneller als Mondrian erkannt, wohin seine Reduktion von Form und Farbe führen würde, und nach ersten Kompositionen mit farbigen Rechtecken sein Ziel, das schwarze Quadrat auf weißem Grund, entdeckt. In der Ausstellung von 1915 hat er es dann an den Anfang einer von ihm selbst konstruierten Entwicklungsreihe gestellt und auf 1913 zurückdatiert. 
"Ein Urbild wurde aus didaktischen Gründen gebraucht, um im Suprematismus die Entfaltung einer Urform behaupten zu können."( Belting S. 344)
Als schon nach kurzer Zeit Risse im Schwarz eine übermalte suprematistische Komposition sichtbar werden ließen, hat er zwischen 1923 und 1929 eine Replik angefertigt um sein Märchen aufrecht erhalten zu können.

Er selbst nennt seinen Stil "Suprematismus". 1927 erscheint seine Schrift "Die gegenstandslose Welt", mit der er zu einem der führenden Theoretiker des Konstruktivismus wird.

Im Zuge der politischen Entwicklung in Europa und Rußland gerät die nichtgegenständliche Malerei und die Tendenzen im Expressionismus, die ihren Weg begleiten unter gesellschaftlichen Druck. Vor allem in Rußland, in Deutschland und in Italien übernehmen politische Kräfte die Herrschaft, die die Kunst wieder in den Dienst politischer Herrschaftsinteressen stellen und sie als Instrument von Volkserziehung und Propaganda für ein Menschenbild und Weltbild einsetzen, das an klassisch/klassizistischen Idealen ausgerichtet ist. Erst nach dem 2. Weltkrieg wird die "Abstrakte Kunst", diesmal von Amerika ausgehend, zur vorherrschenden 'Stilform'.
Abstrakter Expressionismus
links:
Josef Albers, (1888-1976)
"Tribut an das Quadrat, 
1959, Öl auf Leinw., 122x122 cm
 
 

rechts:
Johannes Itten, (1888-1967)
"Modulation Orange-Blau-Grün", 
1964, Öl auf Leinw., 84 x 78 cm

Für eine Fortsetzung der Vorkriegstraditionen sorgen zunächst die ins Ausland emigrierten Bauhaus Künstler, wie Josef Albers, Max Bill, Johannes Itten. Sie stehen für eine Richtung der streng geometrischen Abstraktion, die den Traditionen von De Stijl und des Konstruktivismus folgt. 
links. Barnett Newman ,"Vir Heroicus Sublimis", 1950-51, Öl, 244x 549 cm
oben: Victor Vasarely, "Vega 2000" von 1968, Acryl auf Lwd.
In deren Folge wiederum kann man die amerikanische "Farbfeld Malerei" (Barnett Newman), das Hard Edge Painting (Ellsworth Kelly, Frank Stella) oder auch die Op Art (Victor Vasarely, Bridget Riley) sehen, wobei die jeweiligen Vertreter der unterschiedlichen Gruppen vermutlich vehement wehren würden gegen eine derartige Einordnung, weil sie mehr oder weniger alle der Meinung sind, daß ihre Kunst unverwechselbar und einmalig ist In der Tat gehört bald zu jedem Namen eine eigene Philosophie, und ein immer wortreicher werdendes Gebäude aus Erklärungen, Leseanweisungen. Zum Mythos der Abstraktion gehört ganz wesentlich die Behauptung, daß das Kunstwerk ganz wesentlich erst im Akt des Betrachtens und durch den Betrachter entsteht.
"Newmann empfing das Publikum 1951 in der Betty Parsons Gallery mit einem Text, der einer Regierungserklärung der neuen Kunst gleichkam. Die gezeigten Werke, so las der erstaunte Besucher, seien nicht mit Ideen und auch nicht mit Abstraktionen zu verwechsekln. Sie ähnelten Personen darin, daß sie "Verkörperungen des Gefühls" seien, denn sie offenbarten ihre innere Leidenschaft in der 'Konzentration zum Bild'. Hier vollzieht Newman eine überraschende Wende in der Definition des Bildbegriffs. Nachdem sich die Malerei von den Bildern entleert hatte, die Werke üblicherweise enthielten, wandelte sich das bilderlose Werk in sein eigenes Bild." "Das Bild, das wir erzeugen, hat die Evidenz einer realen Offenbarung, die von jedermann verstanden werden kann"(B. Newman)
(Hans Belting, Das unsichtbnare Meisterwerk, 1998, S.427)
Lyrisch-gestische Abstraktion
links:
Miro, Joan (1893-1983)
"Katalanische Landschaft" (Der Jäger)
1923-24, Öl/Leinw., 65 x 100 cm 
 
 

rechts:
Baumeister, Willi (1889-1955)
"Stehende Figur mit blauer Fläche"
1933, Öl und Sand auf Leinw.
82 x 65.5 cm

Eine andere Richtung um Willi Baumeister nahm die mehr gestischen Momente bei Kandinsky auf oder auch Ideengut aus dem Surrealismus (Dali, Miro). Der Surrealismus hatte mit der 'Automatischen Schreibweise' (Ècriture automatique) das Stichwort geliefert, mit dem parallel zum automatisierten Schreiben in der Literatur das Kritzeln, Tröpfeln und Spritzen in der Malerei zum Psychogramm geadelt wurde.
Den Gipfel dieser Bewegung erreichte der Amerikaner Jackson Pollock (1912-1956), der die gestische Malerei seit 1946 zum Action Painting entwickelte, Tröpfeln, Schütten, Spritzen, Schmieren, Wischen, Klatschen von Farbe zu  Stilmitteln eines abstrakten Expressionismus machte, der die Kunst der 50er und 60er Jahre beherrschte, bis die Pop Art und eine neue Hinwendung zum Gegenstand dem Tröpfeln vorübergehend Einhalt gebot. 
Pollock, Jackson, "Number 1A", 1948, Oil and enamel on canvas, 172 x 264 cm
Beachtlich sind bei Pollock die bis zu 5m breiten Formate, "murals", die er auf Leinwand(!) und auf dem Boden liegend in stundenlangen Sitzungen bis zur physischen Erschöpfung bearbeitete. Der Malakt wird bei Pollock zum Ritual und eigentlichen "Werk". Er ließ sich dabei fotografieren und filmen. Statt Pinseln verwendete er Holzstücke, Messer, Maurerkellen, die er in dünnflüssige Farbe tauchte, oder er bohrte die Farbeimer an, um ein stetiges Tröpfeln zu erreichen. Gelegentlich setzte er der Farbe Sand, Glasstücke und andere Beigaben zu. Seine Drippings sind, der spontanen Eingebung und der beim Arbeiten entstehenden psychischen Erregung oder Abschlaffung folgend rhythmische, dicht versponnene Farbgespinste von recht unterschiedlichem Charakter. Immerhin verbrachte er nahezu 10 Jahre seines Lebens mit derartigen Aktionen. Er war exzessiver Raucher und Säufer, und wurde von Peggy Guggenheim finanziell, und einigen wortführenden Kunstkritikern durch theoretische Untermauerung, zum "größten Maler der USA" gepusht. 
"Schon möglich, daß Pollock die richtungsweisende Persönlichkeit seiner Zeit war - macho, mürrisch, schamanenhaft, hyperromantisch, impulsiv, agressiv, aufdringlich, gefährlich, versoffen und wild."
(Danto, "Kunst nach dem Ende der Kunst", 1996, S.61)
Literatur
Danto, "Kunst nach dem Ende der Kunst", 1996
Hans Belting, Das unsichtbnare Meisterwerk, 1998
Stefan Heidenreich, "Was verspricht die Kunst? 1998
Über das Geistige in der Kunst" erschienen 1952(!), Manuskript 1910